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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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hungrigen Kind
mal eben ein halb vergammeltes Brötchen hinwarfen!
    Manchmal
stellte ich Betrachtungen darüber an, ob sie wohl einen ähnlich herzlosen Charakter
an den Tag gelegt hätte, wenn ihr Vater ein arbeitsloser Schuster gewesen wäre und
ihre Mutter Arbeiterin in einer Matratzenfabrik. Sie liebte den Luxus und war damit
auf die Welt gekommen, deshalb lag es ihr völlig fern, dass Kinder ihre Mütter lieben
könnten.
    »Sag mal
Mom, hieß Paps schon Pottkämper, als er dich geheiratet hat? Oder vielleicht noch
Klein, Edwin Klein?«
    »Pottkämper
natürlich, wie kommst du darauf?«
    »Ich wurde
also als Pottkämper geboren?«
    »Ja, was
sonst?«
    »Und noch
etwas – kannst du Paps ausrichten, er soll mir keine pädagogischen Briefe mehr schicken?
Ich meine, mir fehlt einfach die Zeit, das Zeug zu lesen.«
    »Vergiss
nicht, dir für die Familie eine Aufzeichnung der Sendung mitgeben zu lassen«, sagte
sie. »Ich werd doch nicht den ganzen Abend vor dem Fernseher hocken, um mir diesen
Blödsinn anzusehen.«
    »Ja, geh
lieber hinaus in die Natur, Mam und tritt ein paar Hummeln oder Wespen platt, wenn
dein Sohn seinen großen Auftritt hat.«
    »Ach, da
ist noch etwas«, sagte ich, schon beim Hinausgehen. »Mir sind nämlich Zweifel gekommen,
ob ich wirklich dein Sohn bin …«
    Meine Mutter
starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, als käme diese Bemerkung völlig überraschend
für sie. Ich glaube, es war der längste Blick im Leben, den sie mir jemals hatte
angedeihen lassen. Dann schüttelte sie unmerklich den Kopf, wie um die Gespenster
der Vergangenheit abzuwehren, und setzte an … und schwieg … und starrte mich wieder
an … und schwieg … und ihre Augen weiteten sich voller Entsetzen … bis sie mit beinahe
tonloser Stimme sagte:
    »Du bist
das Ergebnis einer künstlichen Befruchtung, Albert …« Sie schluchzte und verbarg
ihr Gesicht in den Händen. »Du bist …«
    »Ja, was
bin ich?«
    »Das Ergebnis
einer … künstlichen Befruchtung …«
    »Das sagtest
du schon. Und wer ist mein Vater?«
    »Großer
Gott, Albert … was soll die Frage?«
    »Verstehe,
damit willst du andeuten, dass mein vorgeblicher Vater auch mein leiblicher Vater
ist, hab ich dich richtig verstanden?
    Sie nickte
und starrte mich an, als sei ich gerade beim Angriff von Aliens aus einem gegnerischen
Raumschiff gefallen.
    »Danke,
Mom«, sagte ich und nahm sie in den Arm. »Das hilft mir schon ein Stück weiter.«
     
    Als ich das Studio betrat, entdeckte
ich, dass mein Doktorvater fehlte …
    Die Moderatorin
hieß Leila Sonderboom und verbarg ihr Dekolleté hinter einer geblümten Weste. Ihre
dunkelbraunen Augen musterten mich so wohlwollend wie einen exotischen Käfer, den
man bei nächster Gelegenheit tottreten würde.
    Der Bundespräsident
dagegen würdigte mich keines Blickes. Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Irritation
und Abscheu. Ich nahm an, weil er die Idee, einen 14-Jährigen einzuladen nicht halb
so amüsant fand wie die Redaktion. Frau Familienministerin brachte Leilas dreifaches
Gewicht auf die Waage und nestelte unglücklich an ihrem grauen Rock. Man hatte sie
in ein viel zu enges Kostüm gezwängt, die Nähte brachen ihr gerade ein paar Rippen

    »Wie ist
Ihre Meinung dazu, Albert?«, erkundigte sich Leila. Leider erwischte sich mich dabei
auf dem falschen Fuß, weil ich völlig den Anfang der Diskussion verpasst hatte …
    »Gestatten
Sie mir zunächst eine einleitende Bemerkung zum Thema ›Die Sexualität der Frau in
der Gesellschaft‹ …«
    »Meine Damen
und Herren«, unterbrach mich Leila. »Albert Pottkämper, unser jüngster Diskussionspartner
– Ausnahmeschüler und Anwärter auf eine Assistentenstelle an der Universität –,
wird am heutigen Abend neben der Familienministerin, unserem verehrten Herrn Bundespräsidenten
und Professor Karl Strauchbaum, dem Vorsitzenden der Ethikkommission, für ein reges
– und ich hoffe auch anregendes – Gespräch sorgen. Ich muss mich noch einmal dafür
entschuldigen, dass Professor Augusta wegen unvorhergesehener Ereignisse nicht an
unserer Diskussion teilnehmen kann …«
    Mir wäre
fast das Wasserglas aus der Hand gefallen, als ich das hörte. Augusta ließ mich
allein mit dieser Meute hungriger Wölfe.
    »Wobei ich
ergänzen möchte«, meldete sich die Familienministerin, »dass dieser Standpunkt von
konservativen oder rechten Kreisen schon immer vertreten wurde …«
    »Völlig
d’accord«, bestätigte Professor Strauchbaum. Worauf der

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