Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Bundespräsident sein kantiges
Kinn vorreckte und unwillig den Kopf schüttelte.
»Sehen Sie
die Sexualität der Frauen in der Gesellschaft ähnlich kritisch, Albert?«, fragte
Leila.
Als ihre
blumenbestickte Seidenweste aufklappte, gelang mir der Blick auf ihr üppiges Dekolleté.
Ich beugte mich ein wenig vor, um besser sehen zu können, worauf sie mit einem Fingerschnippen
den Stoff zurückfallen ließ.
»Albert
…?«
»Nun, die
Fakten liegen auf dem Tisch. 43 Prozent aller Frauen geben an, dass sie häufig zu
erschöpft sind, um Lust auf Sex zu haben. Ein Drittel kommt zwar regelmäßig zum
Höhepunkt, allerdings nur allein. Wird der Partner aktiv, täuschen 51 Prozent der
Befragten einen Orgasmus vor, damit er nicht unzufrieden ist. 34 Prozent der befragten
Frauen zweifeln an ihrer Beziehung, weil sie und ihr Lebensgefährte oder Ehemann
immer seltener Sex haben. 27 Prozent der Damen glauben, dass sie im Bett unvorteilhaft
aussehen, und haben deswegen keine Lust auf Sex. Etwa vier von fünf Befragten haben
sich für den Seitensprung entschieden, weil sie mit ihrer Partnerschaft unzufrieden
sind. In Zahlen ausgedrückt, beschwerten sich 85 Prozent der Frauen und 79 Prozent
der Männer über ihren häuslichen Sex.«
Nach dieser
Antwort war die Stille mit Händen zu greifen. Die Familienministerin nestelte wieder
unglücklich an ihrem grauen Rock.
»Viele Frauen
glauben, dass sie im Bett unvorteilhaft aussehen und wollen deshalb keinen Sex?«,
erkundigte sich Leila.
»Persönlich
anwesende natürlich ausgenommen.«
»Könnten
Sie uns auch etwas über den Vergleich zu anderen Ländern sagen?«
»Mit 164
mal Sex pro Jahr liegen die Griechen eindeutig an der Spitze, wie Untersuchungen
eines Kondomherstellers zeigen. Weit abgeschlagen dagegen die Deutschen mit 117
mal.«
»Im 15.
Jahrhundert verzeichnete man in Europa einen deutlichen Anstieg der Syphilis«, sagte
der Bundespräsident. »Damals war man sich noch nicht der naturwissenschaftlichen
Dimension der Krankheit bewusst. Das 16. und 17. Jahrhundert dagegen zeichneten
sich durch ein ausgeprägtes Desinteresse an diesem schweren gesundheitlichen Problem
aus, das nicht nur zu großen wirtschaftlichen und psychischen Belastungen führte,
sondern auch den Bestand der Familie als soziale Institution und Säule des Staates
in Frage stellte.«
»Weil man
keine wirksame Behandlungsmethode fand?«, fragte Leila. »Wie ist Ihre Meinung dazu,
Albert?«
»Schon die
Indios verfügten über eine hochwirksame Syphilistherapie. Sie verwendeten die gekochte
Rinde des Guajakbaumes – Guaiacum officinale und sanctum – oder der Sarsparillewurzeln
kombiniert mit Schwitzbädern und Fastenkuren. Der Humanist Ulrich von Hutten beschreibt
die Methode in seinem 1519 erschienenen Werk De guajaci medicina et morbo gallico
liber unus . Leider war dieses Wissen in Europa nicht sehr verbreitet. Man verwendete
hochgiftiges Quecksilber, durch das einem Haare und Zähne ausfielen.«
»In diesem
Zusammenhang kann ich allerdings nicht nachvollziehen«, meldete sich die Familienministerin,
»wieso Wilhelm Schlüter, der Vorsitzende der Oppositionspartei, die Anzahl der Kindergärten
in drei Bundesländern um 20 Prozent reduzieren will.«
»15 Prozent«,
berichtigte Strauchbaum. »20 Prozent bei ausbleibenden Steuereinnahmen.«
So ging
es endlos weiter. Ich glaube, fast eine halbe Stunde lang. Man hätte mit offenen
Augen einschlafen können. Als nächstes wäre die Zahlungsmoral des städtischen Kaninchenzüchtervereins
an der Reihe gewesen, oder das Intelligent Design von Apfelsinenkisten.
»Ich bedanke
mich bei allen Teilnehmern für ihre engagierten und kompetenten Kommentare«, sagte
Leila Sonderboom zum Abschluss. »Unser nächstes Thema lautet: Leiden Männer unter
der Hausarbeit – und falls ja, beeinträchtigt es ihre Zeugungsfähigkeit? «
Dabei fuchtelte
sie in Richtung Kamera, als wolle sie jeden Zuschauer persönlich umarmen. Ich fand,
Leilas Möpse hüpften beim Gestikulieren mehr herum, als meiner seelischen Gesundheit
zuträglich war.
»Du warst großartig, Albert«, sagte
Anja. »Man hat gar nicht bemerkt, dass dein Doktorvater verhindert war. Außer dir
hat niemand in der Gesprächsrunde was Vernünftiges zum Thema gesagt.«
»Unwissenheit
und Ohnmacht untergraben jede ernst zu nehmende Hybris.«
»Diese Arschlöcher
haben ihr Thema klar verfehlt«, bestätigte Herbert. »Sei froh, dass wir uns morgen
früh auf die Neuen Hebriden verpissen.«
Auf
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