Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
ist oft ein schaler Geschmack von einander Ausgeliefertsein.
Wir vereinbarten,
dass ich nach meinem zweiten Gespräch mit dem Dalai Lama nach Vanuatu zurückkehren
würde.
Herbert
ließ sich kurz das Telefon geben und erkundigte sich, ob ich auch genug Geld für
den Rückflug hätte. Anscheinend hatte er Angst, dass ich ihn doch noch verpfeifen
könnte. Aber ich beruhigte ihn und sagte, die Honorare von CNN seien gar nicht mal
so übel.
Vor meiner Sendung wollte Holly
noch kurz die Narbe an ihrer rechten Augenbraue behandeln lassen. Sie sagte, sie
sei es leid, ständig irgendwelche Lügengeschichten wegen ihres gescheiterten Selbstmordversuchs
zu erzählen. Am besten wäre es wohl, wenn das Kainsmal für immer von ihrer Stirn
verschwände. Ich wurde sofort hellwach, als ich erfuhr, um welche Klinik es sich
handelte.
Es war die
Adresse auf der mysteriösen Stickstoffflasche im Kellerlabor meines Alten: das Princeton
Medical Center, New Jersey …
»Sag mal,
macht es dir etwas aus, wenn ich dich nach Princeton begleite?«
»Ganz im
Gegenteil. Krankenhäuser machen mich immer depressiv.«
Princeton
liegt nur etwa eine Autostunde von New York entfernt und wurde weltberühmt, weil
Albert Einstein dort seine letzten Lebensjahre verbrachte. Er starb im selben Krankenhaus,
in dem Holly Chappell jetzt die Abteilung für Chirurgie konsultieren wollte. Als
wir ankamen, war es kurz vor Mittag.
Der Laden
war offenbar keine der üblichen Klitschen für Schönheitschirurgie, die eigentlich
Gelddruckereien sind, sondern ein seriöses Lehrkrankenhaus mit Spezialabteilungen.
Holly wurde gleich in einen der vielen Operationsräume gebracht und ich durfte mir
im Warteraum die Zeit mit einschlägigen Besucherbroschüren um die Ohren schlagen.
Wie zu lesen
war, handelte es sich um dasselbe Hospital, in dem der Pathologe Thomas Harvey nach
Albert Einsteins Tod 1955 rechtswidrig dessen Gehirn entnommen hatte, angeblich,
um es für weitere Untersuchungen der Nachwelt zu erhalten. Erst im Jahre 1998, über
40 Jahre nach Einsteins Tod, hatte Harvey es der Klinik zurückgegeben.
Dann stieß
ich auf eine Meldung jüngeren Datums, wonach der Schweizer Millionär Elias Witzigmann
– offensichtlich ein großer Verehrer des Physikers –, schon zweimal vergeblich versucht
hatte, Einsteins Gehirn zu stehlen: einmal, irrtümlich, im Jahre1993, als Doktor
Harvey zwar vollmundig in einem Interview verkündet hatte, er würde das Gehirn Einsteins
nun unverzüglich an das Princeton Medical Center zurückgeben.
Und danach
noch einmal im Jahre 2000, weil Harvey Einsteins Gehirn entgegen seiner Ankündigung
erst im Jahre 1998 zurückgebracht hatte. Zwar hatte er das Objekt seiner Begierde
beim zweiten Versuch kurzzeitig in seinen Besitz gebracht, doch war es ihm angeblich
wenig später von einer Assistenzärztin gestohlen worden, die ihn nach der Tat verfolgt
hatte. Doch Polizei und Medien argwöhnten, er habe sie ermordet, um eine lästige
Zeugin zu beseitigen, da sie seitdem verschwunden war …
Elias Witzigmann
war vor wenigen Wochen aufgrund von Videoaufnahmen in New York gefasst worden, als
er versuchte, drei gefälschte Jackson Pollocks an eine Galerie in Westend New York
zu verkaufen.
Er hatte
hinsichtlich des zweiten Einbruchs ein vollständiges Geständnis abgelegt, leugnete
jedoch, etwas mit dem Verschwinden der Assistenzärztin Vanessa Fields zu tun zu
haben und weigerte sich, auch den ersten Einbruch auf seine Kappe zu nehmen. Nach
Vermutung des Staatsanwalts, weil er einen unbekannten Komplizen schützen wollte,
denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich Witzigmann nachweislich in der Schweiz aufgehalten.
Er saß momentan eine Haftstrafe in der Lincoln Correctional Facility ab.
1993 – sehr
merkwürdig, dachte ich. Das war doch das Datum auf dem Versandzettel der Stickstoffflasche
im Keller meines Alten für einen Flug der US Airways von New York, LaGuardia Airport
nach Frankfurt.
Wenn sich
Einsteins Gehirn zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht im Princeton Medical Center
befunden hatte – war dann vielleicht irrtümlich irgendetwas anderes entwendet worden?
Und falls ja, was?
Mir schwante
Böses … Ich stand auf und ging mit dem Magazin in der Hand zur Information.
»Ach, sagen
Sie bitte, könnte ich vielleicht kurz einen der diensthabenden Ärzte sprechen?«
»Worum geht
es denn?«
»Um Holly
Chappell, die berühmte Hollywoodschauspielerin«, log ich. »Sie soll operiert werden.«
Mir war klar, dass mir hier niemand ohne guten
Weitere Kostenlose Bücher