Einundzwanzigster Juli
einzuleiten, an deren Ende die Übernahme der Regierung stehen sollte.
Hitlers Überleben auch dieses Anschlags verurteilte einen Plan zum Scheitern, den Gegner aus allen Bereichen und Schichten der Gesellschaft über Jahre hinweg gemeinsam entworfen hatten. Militärangehörige, Gewerkschafter, Politiker, Diplomaten, Geistliche ... von der großen Zahl der Beteiligten soll Hitler, der das Attentat gern einer »kleinen Clique gewissenloser Offiziere« zugeschrieben hätte, erschüttert gewesen sein.
Über den Sinn des Anschlags zu einem Zeitpunkt, da der Krieg als verloren erkannt und die bedingungslose Kapitulation Deutschlands von den Alliierten bereits beschlossen war, ist viel diskutiert worden. Als sicher gilt, dass die Attentäter, entsetzt und beschämt über das Ausmaß der deutschen Kriegsverbrechen, »um der Ehre willen« nicht anders konnten als diesen Verbrechen Einhalt zu gebieten – und wenn es ihr eigenes Leben kostete. Ein Aufstand des Gewissens, dessen Würdigung etliche Jahre auf sich warten ließ: Noch Jahrzehnte nach Kriegsende galten die Attentäter des 20. Juli vielen Deutschen als Verräter, während ihr Mut und ihre Opferbereitschaft heutzutage recht selbstverständlich als Beweis dafürherangezogen werden, dass es damals auch »gute Deutsche« gegeben habe.
Im letzten Jahr des Zweiten Weltkriegs kamen mehr Menschen ums Leben als in allen vorausgegangenen Kriegsjahren zusammen. Ein geglückter Anschlag auf Hitler wäre also keinesfalls zu spät gekommen.
Der Name Graf Stauffenberg und das Datum des 20. Juli 1944 haben in der deutschen Geschichte inzwischen ihren festen Platz. Der »Epilog« ist weniger bekannt: die Rache des Regimes nicht nur an Hunderten Beteiligten und Mitwissern, sondern auch an deren Angehörigen. Die Sippenhaft betraf das zehn Tage alte Baby, das der Familie Hansen entrissen wurde, ebenso wie das 84-jährige Familienoberhaupt der Stauffenbergs. Für zahlreiche Familien des Widerstands bedeutete der missglückte Anschlag auf den »Führer« eine lange Odyssee durch Gefängnisse und Konzentrationslager.
»Der Zusammenhalt der Familie war eine große Hilfe in dieser Zeit«, erinnert sich Otto-Philipp Graf Stauffenberg, der damals 17-jährige Neffe des Attentäters. »Die ganze Familie stand einmütig hinter der Tat meines Onkels, voller Stolz auf ihn, der sie gewagt hatte. Es hat in all diesen Monaten, auch nicht in den schwersten Stunden, bei uns auch nur den leisesten Vorwurf gegeben, dass wir durch das Attentat in diese Lage gekommen waren. Ich glaube, es gab nicht einmal den leisesten Gedanken daran.«
Heute berichtet Graf Stauffenberg als Zeitzeuge in Schulen und Bildungsstätten vom »20. Juli und seinen Folgen«, und sein Vortrag über das persönliche Erleben war es, der den Anstoß zu diesem Roman gab. Auf Wunsch der Beteiligten wird der Name Stauffenberg jedoch nicht genannt, um das fiktive Element deutlich zu machen, das jeder Dramatisierung anhaftet, selbst wenn sich diese entlang tatsächlicher Ereignisse bewegt und die handelnden Personen möglichst authentisch zu schildern versucht.
Erzählt wird aus dem Blickwinkel der 14-jährigen Philippa, genannt Fritzi, deren eigene, frei erfundene Biografie in eine wahre Geschichte mündet. Mit Ausnahme von Fritzi und ihren Eltern steckt hinter jedem Mitglied der Familie von Lautlitz eine reale Person, deren Name aus der Stammtafel am Ende des Buches hervorgeht. Claus Graf Stauffenberg (»Georg von Lautlitz«) tritt ebenso wie sein an der Verschwörung beteiligter Bruder Berthold (»Onkel Eckhardt«) nur indirekt auf; sie sind bereits Erinnerung. Sehr gegenwärtig sind zum Zeitpunkt der Geschehnisse hingegen Nikolaus Graf von Üxküll-Gyllenband (»Onkel Yps«), seine Frau Ida (»Tante Helma«) und seine Schwester Alexandrine (»Tante Josi«). Die Namen der übrigen Sippenhäftlinge sowie der SS-Kommandanten wurden nicht verändert.
Die Erzählung folgt verschiedenen Quellen. Gesamtdarstellungen über den 20. Juli wurden ebenso herangezogen wie Biografien einzelner Beteiligter, wobei vor allem eine Darstellung für den Roman handlungsweisend ist: die Biografie der Flugkapitänin und Wissenschaftlerin Melitta Gräfin Stauffenberg (»Tante Lexi«). Wie Claus und Berthold von Stauffenberg kooperierte sie als deutsche Patriotin zunächst mit den nationalsozialistischen Machthabern, fand sich aber alsbald in der kaum erträglichen Situation, durch ihre eigene Tätigkeit ein verbrecherisches Regime zu unterstützen.
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