Einzelkaempfer
sehe ich einen alten Opel Kapitän. Mein Fahrlehrer fuhr so ein Teil. Ich schaue zum Fenster nach oben. Alles ruhig bei den Killern. Killer, der ich auch einmal dachte zu sein, damals. Ich konnte nicht schlafen, nachdem mir im Stockdunklen, eine Katze unter das Auto geraten ist. Unter das blank geputzte Auto meines Vaters, kurz nachdem ich den Lappen hatte. Ich war total geschockt. Ruppeldipumm, machte es, als die Mieze unter dem Ascona durchpolterte. Geschockt fuhr ich weiter. Fahrerflucht. Meine Gedanken damals jagten sich ... wutverzerrte, puterrot verfärbte Fratze meines Alten, falls der Tod des Kätzchens eine Beule in der Schürze hinterlassen haben sollte, blutiges Fell am Auspuff angebacken, dicke Tränen eines kleinen Kindes, wenn es seinen Liebling des Morgens auf der Straße kleben sah. Ich klettere auf eine Palette, um durch eine schmutzige Scheibe zu schauen. Zu dunkel hier. Sieht aus, wie ein Porsche, das Heck dort hinten in der Halle. Klar, du willst den Porsche sehen, also siehst du einen, meint Kalle, der wohl ein Einführungssemester Psychologie belauscht hat. Leise schleiche ich weiter. Nachdem ich mich damals als feiger Katzenkiller eingestuft hatte, hielt ich an, kontrollierte die Schürze, alles okay, kehrte an den Tatort zurück, vielleicht war dem Tier doch noch zu helfen. Doch nichts. Keine Spur von dem schwarzen Kätzchen. Konnte sie das überlebt haben? Hatte sie schon jemand gefunden? Ich durchschritt gegen 1 Uhr nachts den Straßengraben, vergebens. Verreckte sie jetzt qualvoll in einem Kuhfladen auf der abgesperrten Weide hinter dem Stacheldraht? Katzen haben sieben Leben, ging mir ein Spruch durch den Kopf. Du hast nur eins, mault der Anwalt und treibt mich an, weiterzugehen, da ich gedankenschwer wie angewurzelt vor einem Müllcontainer stehe, aus dem es gammlig riecht. Sieben Leben, nee, wäre mir zu viel ... forever young, I want to be forever young, do you really want to live forever, forever and ever, sangen die Jungs von Alphaville in den 80zigern ... Hier kann ich nichts erreichen im Moment. Rückzug. Hmm, hmm – höre ich von irgendwoher. Ist hier jemand? Ich horche, höre nichts, bin völlig überspannt. Mit dem Lied im Kopf gehe ich zurück. Hoffentlich liegt im Auto eine Jacke oder eine Decke. Im Kofferraum des Mercedes finde ich eine pinkfarbene Steppjacke. Na gut, hier sieht mich keiner, besser als nix. Die 1 würde mich direkt mit ihr verbinden, ich drücke die 1. Mailbox, super. Allzeit erreichbar im Zeitalter der schnellen Kommunikation. Ich beende die Verbindung ohne ein Wort. Wenden, kommt mir in den Sinn. Wenden, an wen, wohin? Den Wagen wenden und zwar so, dass du die Hofeinfahrt besser im Blick hast, hilft mir Kalle auf die Sprünge. Ja, dann mache ich das mal. Das Brummen des startenden Motors kommt mir viel zu laut vor. Viel zu laut für die leere Straße in der stillen Nacht. Nur aus weiter Ferne sind Verladegeräusche zu vernehmen, Kräne schwenken ihre Arme, Metall stößt auf Metall. Ich postiere mich strategisch günstig, parke den Wagen so, dass ich mich schnell hinter einen Fluchtwagen klemmen könnte. So stehe ich frontal gegenüber der Einfahrt, etwas schief in der Parkbucht, allzeit bereit loszufahren, egal in welche Richtung. Den Führerscheinprüfer hätte ich mit dieser Art zu parken nicht beeindruckt. Es ist 3 Uhr früh. Die Mörder ruhen und ich werde auch ganz müde. Der hat es hinter sich, fällt mir der Tote mit der Glatze wieder ein und meine Herzfrequenz nimmt abermals um ein paar Takte zu. Jede Hilfe wäre zu spät gekommen, rede ich mir ein. Himmel oder Hölle, fragt Kalle. Schiffsschraube, antwortet der Advokat mit Grabesstimme. Das anfangs nervige Zucken meines linken unteren Augenlids wirkt schon beinahe beruhigend, ist es das einzige Empfinden, dass Regelmäßigkeit repräsentiert. Forever young ... let us die young or let us live forever … beides blöd … I don‘t want to live forever, formuliere ich um und summ mich in einen unbequemen Halbschlaf. Nur nicht einpennen. Oh Lord, want you buy me a Mercedes Benz, versucht Janis Joplin mich zu unterhalten, wird jedoch immer leiser. Die 1 verbindet dich mit mir, flüstert Hannas Stimme verheißungsvoll. Ihr Widerhall ist tief in meiner Gehörschnecke gespeichert und die feinen Härchen darin wedeln sie tausendfach in meine erschlaffenden Gehirnwindungen. Nur nicht einschlafen. Denk an was Aufregendes. Die erste Annäherung an das weibliche Geschlecht. Apollo Kino, letzte Reihe, Sybille
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