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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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die ihre Blicke in die Manege lenken, auf den getäfelten Fußboden, werden erhellt von Öl- oder Gaslämpchen, die hinter stumpfen Glaskolben blaken.
    In einer Ecke steht ein weiterer Stuhl, eine seltsame Konstruktion, die Lehne ist nach hinten gekippt, und darauf, unter wärmenden Decken, bewegt sich etwas. Was auch immer es ist, es macht ein interessiertes Geräusch.
    Tomke tritt näher. „Haben Sie dort so eine Wunderpuppe?“
    Der Alte sieht aus, als wolle er sie schlagen. Er folgt ihrem Schritt mit der Mündung des Vorderladers, und als er antwortet, ist seine Stimme heiser.
    „Wie kommt es, dass sie so besessen sind von Puppen? Dies dort ist ein Mensch, und ich will nicht, dass sie auch nur einen Schritt näher treten! Außerdem möchte ich nicht, dass Sie noch einmal ein Wort über meine Enkelin verlieren!“ Die Mündung zittert.
    Tomke zieht eine Braue hoch.
    „Ihre Enkelin lebt hier unten? Guten Abend, Fräulein Engelhardt! Ich wollte Sie nicht stören!“
    Wieder ein vergnügtes Geräusch vom ins Liegen gekippten Stuhl. Die Decken bewegen sich. Der Puppenmacher stößt einen mürrischen Laut aus, als Tomke trotz seiner Warnung näherzutreten versucht.
    „Mit ihr reden darf ich auch nicht? Ehe Sie mich erschießen? Überhaupt – Sie wollen mich vor den Augen einer jungen Dame niederschießen?“
    Der Alte tritt zwischen Tomke und das Bett. „Sie ist keine junge Dame“, sagte er. „Sie ist neunundzwanzig.“
    „Das ist ja noch kein Alter, in dem man daran gewöhnt sein sollte, dass jemand in seinem Schlafzimmer erschossen wird.“
    Der Puppenmacher betätigt einen Hebel, als das vergnügte Glucksen nicht mehr in die Laute einer Schlafenden übergehen will. Er schaut betreten drein dabei.
    „Elisabeth, das ist Fräulein …“
    „Tomke“, sagt Tomke und winkt der jungen Dame zu.
    „Sie ist eine Einbrecherin“, ergänzt der Alte nachdrücklich.
    Langsam erhebt sich die Stuhllehne in eine aufrechte Position. Der Schlaf hat die hübschen, braunen Locken des Mädchens bereits ein wenig zerwühlt. Aus ihren Augen strahlt eine wilde Freude, und die Decke verrutscht, als sie ihre Hände aneinander reibt, als bereite sie in Gedanken den Coup des Jahrhunderts vor.
    „Entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört und die warme Luft aus Ihrem Schlafzimmer entfernt habe“, sagt Tomke höflich.
    „Sie kann Ihnen nicht antworten“, sagt der Mann rau.
    „Gewiss nicht. Wenn die junge Dame wäre wie Sie, spräche ich nicht so höflich mit ihr.“
    „Sie kann nicht sprechen, und sie kann Sie auch nicht verstehen.“
    „Ach, aber tragen Sie sich nicht in der Hoffnung, dass Sie nicht schockiert sein wird, wenn Sie mich in ihrem Schlafzimmer erschießen!“
    „Erwarten Sie keine Anteilnahme von Elisabeth!“, schimpft der Puppenmacher und wedelt mit dem Vorderlader. „Hinsetzen!“
    „Keine Anteilnahme? Warum denn nicht? Sie sieht aus, als freue sie sich sehr über meinen nächtlichen Besuch. Junges Fräulein, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich ebenfalls erfreut bin, Sie kennenzulernen – und Ihre Puppen.“
    „Es sind nicht ihre Puppen. Es sind die Puppen des französischen Königs“, sagt der Puppenmacher mürrisch, und Tomke folgt seiner Aufforderung, sich hinzusetzen. Sie rückt Schal und Kappe zurecht, und das Mädchen reibt erwartungsvoll, aber stumm die Hände, und Tomke erkennt in ihren Augen, dass noch etwas sehr Spaßiges in dieser Nacht geschehen wird.
    „Ein stummes Fräulein und sprechende Puppen. Sie haben doch mehr Überraschungen parat, als ich geahnt habe.“
    „Still jetzt! Ich werde Sie über alles aufklären, ehe ich Sie draußen erschieße.“
    „Ach, jetzt möchten Sie mich immerhin draußen erschießen. Ich hoffe, Sie erkälten sich nicht, wenn Sie mich auf Pantoffeln exekutieren!“

    Doch er beginnt mit seiner Geschichte, und es ist, als wäre er froh, sie endlich jemandem erzählen zu können.
    „Es begann gar nicht mit Puppen. Es begann damit, dass die französische Regierung ein Forschungsprojekt in Auftrag gab. Ich lebte mit meiner Frau in Paris, und wir hatten gerade unser zweites Kind bekommen, einen Jungen. Der Krieg war so lange her, dass ich hoffte, an erbaulichen Dingen forschen zu dürfen, etwa an der Kälteresistenz von Blumen, um den Hof des Königs damit zu schmücken. Doch stattdessen gab man mir eine Aufgabe, die mein ganzes kommendes Leben vereinnahmen sollte und an der nichts Erbauliches war. Wäre sie mir geglückt, hätte sie Frankreich an die Spitze

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