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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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tut.
    „Ich glaube Ihnen nicht. Es ist eine Puppe, nicht? Eine sprechende Puppe.“
    Er starrt sie an. Sie lächelt.
    „Ich wusste es! Sie dachten sicher, jeder würde Sie für verrückt erklären, wenn Sie sagen, dass eine Ihrer Puppen spricht! Aber ich halte Sie nicht für verrückt – ich weiß … ich habe …“ Sie wird ernst und zieht ein Gesicht. „Ich wünschte, ich könnte sagen, ich habe auch eine Puppe sprechen hören. Aber das stimmt nicht. Ich kenne aber Leute, die eine Puppe sprechen hörten. Einer von ihnen sogar lange, sehr oft!“
    „Sind Sie verrückt?“, bringt er hervor, und sie lehnt sich zurück und pustet gegen die Dampfschwade, die ihrem Tee entsteigt.
    „Keinesfalls – und Sie wissen es! Sie sind der Puppenmacher dieser seltsamen Puppe!“
    Während sie an ihrem Tee nippt, steht er auf und geht zum Herd. Er bückt sich, seine Knochen knacken. Als er wieder hochkommt, hält er einen kurzen Vorderlader in der Hand. Er spannt den Hahn.
    „Was für eine Unsitte, eine Dame beim Tee mit einer Muskete zu bedrohen!“, sagt das Fräulein und schüttelt den Kopf. „Die liegt doch sicherlich nicht geladen unter ihrem Herd.“
    „Oh doch. Meinen Sie, wir leben hier allein, niemand kennt unseren wahren Namen, und wir wünschen nicht gestört zu werden – und haben keinen geladenen Vorderlader unter dem Herd?“
    „Aber … lassen Sie mich doch ausreden! Beim Tee!“
    „Nein“, sagt er energisch. „Nehmen Sie Ihre Jacke voller Waffen – denken Sie nicht daran, etwas davon zu benutzen, was auch immer es sei – und verschwinden Sie!“
    Sie seufzt und nimmt einen Schluck Tee. Er verbrennt ihre Zunge, der Alte sieht, wie sie das Gesicht verzieht. „Sahne wäre gut gewesen“, brummt sie. „Aber Hauptsache, es ist ein bisschen warm, das wird mich durch die Nacht bringen.“
    Er schweigt und wartet, ob sie seinen Anweisungen Folge leistet. Er fragt sich, was er tun wird, wenn sie es nicht tut. Er ist dreiundachtzig und der Krieg, in dem er gedient hat, so lange her, dass es ein anderes Leben zu sein scheint.
    Sie zieht die Stiefel wieder an, schnürt sie umständlich. Sie nimmt Jacke, Kappe, Schal. Sie lächelt befriedigt, als sie sieht, welche Pfützen sie in der Küche hinterlassen hat – und auch in der Diele, deren Tür sie nun wieder öffnet.
    „Nun denn – ein schönes Leben noch. Ihnen und Frau Hanke und Ihren Puppen“, sagt sie und reißt theatralisch die Tür auf. Das Wetter scheint ihren Launen zu gehorchen und umwirbelt ihre Gestalt mit Schnee und Graupel. Kurz überlegt der Alte, ob er das Fräulein gerade in den Tod schickt.
    Seine Schwester steht wieder hinter ihm. „Elisabeth ist ganz aufgeregt“, sagt sie.
    „Natürlich. Solchen Besuch hatten wir noch nie, und es hat auch noch kein Gast mit den Füßen aufgestampft.“
    „Sie war nicht nur aufgeregt“, sagt seine Schwester, während das Dunkel des Schneesturms das widerspenstige Fräulein verschluckt. „Sie war fröhlich.“

    Es ist unwiderruflich Nacht, als das Fräulein wiederkommt. Fräulein Niederbroich hat dem Sturm getrotzt, aber nur, weil dies ihre Natur ist. Sie ist mit dem Zug angereist, ist das letzte Stück mit einem kleinen Industriezug, der Vennbahn, gefahren, in einem leeren Wagen, und sie weiß nicht, mit welchen Waren beladen er nach Aquis zurückkehren wird. Denn hier oben gibt es nichts. Bis St. Vith führte die Bahn, und es war der letzte Zug vor dem Winter. Von St. Vith hat sie sich durchgefragt. Sie ist einen Tag lang durch den Schnee gelaufen, durch Tannenwälder und über verlassene Hochebenen. Der Puppenmacher und seine Schwester leben in einem Haus abseits eines kleinen, namenlosen Dorfs, in dem jeder Bewohner in diesem Winter hätte sterben können, ohne dass der Rest der Welt sein Fehlen bemerkt hätte.
    Es ist nicht leicht gewesen, die Spur der Puppe Ynge überhaupt aufzunehmen.
    Die Familie Lochner war wenig erbaut, als ein vorgeblich böhmisches Fräulein sie nach ihrer verschiedenen Tochter Æmelie befragt hatte. Die Tante der Toten hingegen war gesprächsbereiter – das jedoch war kein Wunder, hatte das Fräulein ihr doch einige Jahre Haft ersparen können, als sie die Vaterlandsverräterin aus der Kolonie des Hochsicherheitsgefängnisses Kahler Asten befreit hatte.
    Æmelies Tante hatte den Puppenmacher um eine Puppe für ihre Nichte erleichtert. Genau hier – in diesem Haus, vielleicht sogar in einer Nacht wie dieser.

    Tomke Haukestochter, Erste unter Gleichteilern,

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