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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Lebensunterhalt in den Ardennen.
    Meine Tochter und mein Sohn verließen das Haus. Meine Frau starb, und an ihrer Stelle zog meine verwitwete Schwester bei mir ein, um meinen Haushalt zu führen. Doch vor ihr kam Elisabeth – die Tochter meines Sohnes.“

    „Was heißt das, Elisabeth kam?“, fragte Tomke, und die Frau auf dem Lehnstuhl hob ihren Kopf und sah sie an, als sie ihren Namen hörte.
    „Wenig wusste meine Familie über das, was ich tat. Doch sie wusste, dass ich Geist aus Materie ziehen musste, dass ich scheinbar Stummes zum Sprechen bringen sollte. Außerdem sagte die Frau meines Sohnes, es sei seine Schuld, dass Elisabeth aufhörte, ein normales Kind zu sein. Er sei in diesem Haus von meinen Experimenten geschädigt worden, und daher habe er ein geschädigtes Kind in die Welt gesetzt. Das ist Nonsens – ich habe ja nichts zustande gebracht, wie soll ich da jemanden geschädigt haben, der noch nicht geboren war, als sein Vater beschloss, dieses Haus zu verlassen?
    Jedenfalls hatten sie beschlossen, dass es meine Tat war, dass Elisabeth zu krabbeln aufhörte, dass sie verstummte und dass sie seither in einem Lehnstuhl sitzt und …“

    Er verstummt, und Tomke sieht, dass eine böse und eine liebevolle Seite in ihm kämpfen. Ein alter Mann ist der Puppenmacher, und die Sühne für eine Tat, die er nicht begehen konnte, lastet auf seinen Schultern.
    Elisabeth horcht, und als er ihre Hand nimmt – ohne den Vorderlader loszulassen –, hört sie auf, ihre Hände zu reiben und sieht ihn so nachdenklich an, dass Tomke sicher ist, dass sie etwas dazu sagen wird.
    Ein lächerlich kluger Gedanke blitzt auf und verschwindet dann schneller, als die Friesin danach greifen kann. Zurück bleibt eine Ahnung davon, den sie versucht, in tröstliche Worte zu fassen.
    „Sie … horcht … wie wir reden, und dabei ist sie selbst so … un…“
    Der Puppenmacher wappnet sich mit einem wütenden Blick, als habe sie vor, das Mädchen zu beleidigen.
    „Ihre Grenzen sind nicht da“, ringt Tomke um Worte.
    „Was soll das heißen?“
    „Na, die Grenze. Wer Sie sind und wer ich, diese äußere Grenze unseres Denkens. Die hat sie nicht. Oder sie ist zumindest sehr unscharf.“
    Er lehnt sich beruhigt zurück, lächelt anerkennend, streichelt die rechte Hand des Mädchens. „Descartes, ja? Wir sind in der Erkenntnis unserer Umwelt daran gebunden, dass wir nur wenige Dinge als wirklich ansehen können. Ich denke, also bin ich – das ist der erste Schritt – und leider führt darüber kein Weg hinaus. Weiter als bis zur Grenze unseres Denkens können wir auf die cartesianische Weise nicht vordringen. Alles andere müssen wir schlichtweg glauben, und Elisabeth kann sich all dieser Dinge gewiss sein, denn ihre eigenen Gedanken markieren nicht die Grenze ihrer Selbsterfassung.“ Er nickt. „Ein schöner Gedanke – er hätte mich möglicherweise getröstet, in den Jahren, in denen ich die Reaktionen von Stoffen in Reagenzgläsern erforschte, in denen ich Dinge sprechen lassen wollte, die nicht sprechen können, in denen ich mich danach sehnte, meine Enkelin zu verstehen und mich fragte, ob dieser Moment bereits vorhergesehen war, als das Universum sich selbst erschuf.“
    „Sie tragen maßgeblich zu meiner Verwirrung bei“, gibt Tomke zu.

    „Meine Frau kümmerte sich um Elisabeth, das verlassene ewige Kind, und ich kümmerte mich um meine Moleküle, meine Teilchen und versuchte, die Muster ihrer Bewegungen und Verkettungen zu erkunden – doch welchen Einfluss auf solche Kleinigkeiten wie Eiszeiten würde ich daraus ableiten können? Meine Frau brachte mir eine zerbrochene Puppe. Es war Elisabeths Puppe, und sie hatte sie in ihren Händen zerbrochen, jahreslang hatte sie sie zerliebt, bis das Porzellan gebrochen war. Ich solle mich mit meiner Werkstatt einmal nützlich machen, sagte meine Frau. Es sei ein Labor, antwortete ich, war mir jedoch nicht zu stolz, um an der Puppe herumzudoktern. Es machte mir Spaß, die Puppe zu reparieren, und weil ich in meinem Projekt, die Wege des Universums vorherzusagen, nicht weiter kam, schuf ich weitere Puppen. Für Elisabeth, für die Kinder des Dorfes … Gipsformen herzustellen, Gesichter und Gliedmaßen zu gießen, ja, etwas zu formen und nicht zu versuchen herauszulesen, wie man selbst geformt werden soll von Händen, die man nicht erkennen kann … das wurde zunehmend zu einem Zeitvertreib, der mir Freude bereitete.
    Doch ab und an besuchte mich ein französischer Beamter und

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