Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
Vom Netzwerk:
fragte nach dem Fortgang meiner Forschungen, und ich wusste, dass ich ihm etwas bieten musste, und so ließ ich eines Tages vom Laplace’schen Dämon ab und wandte mich anderen Dämonen zu. Wenn ich einfachere Dämonen beherrschte, so war ich mir sicher, dann würde ich auch dereinst ihren Fürsten gebändigt bekommen. Ich widmete mich heißen, schnellen und kalten, langsamen Teilchen und stellte fest, was Maxwell längst festgestellt hatte: Die Separierung von heißen und kalten Teilchen in zwei Behälter hat ein Perpetuum Mobile zweiter Ordnung zur Folge, eine sich selbst betreibende Wärmepumpe. Maxwell hat diesen Dämon als Gedankenexperiment betrieben, ich jedoch – ich fing ihn ein.“
    „Ehrlich?“, fragt Tomke und betrachtet die Puppengesichter, eines lieblicher als das andere. Auf ihre Weise fügt sich Elisabeth vollkommen in die Umgebung der selbstvergessen lächelnden Münder. Das Licht ist warm und täuscht darüber hinweg, dass der Raum kalt geworden ist, seit Tomke ihn betreten hat.
    „Ehrlich. Er war hier. Ein Maxwell’scher Dämon in Puppengestalt. Ich wurde wiederholt Zeuge seines Könnens, ohne jedoch die Meisterleistung noch einmal vollbringen zu können. Vielleicht …“ Der Alte lacht. „Vielleicht ist es wahrhaftig ein Dämon, und es gibt ihn nur einmal.“

    „Wie auch immer“, fährt er fort, „ich gab dem Beamten des königlichen Geheimdienstes Bescheid, ich hätte eine bahnbrechende Entdeckung gemacht, und es dauerte nur wenige Tage, bis sie hier eintraf. Sie war eine junge Frau wie Sie, Fräulein Tomke. Also … vom Alter her. Dazu hatte sie aber erstklassige Manieren und war gekleidet wie eine Dame. Wie sie so rasch hierher kam, kann ich nicht ahnen – möglicherweise reiste sie mit einem Luftschiff. Gewandert war sie jedenfalls nicht.
    Auch sie klopfte an meine Tür, und ich erzählte ihr von meiner Entdeckung. Ich führte ihr vor, wie die Puppe den Raum erhitzte und parallel die Luft draußen abkühlte, dass ich zumindest meinem Traum von Blumen im Winter näher gekommen war und wie glücklich Elisabeth über die Puppe war. Die Dame sagte, sie würde sie mitnehmen. Ich hatte eine zweite, identische Puppe für Elisabeth, nur ohne Dämon, und den Puppendämon könne die Dame dem König überbringen, sagte ich. Dann ging sie und kam nicht zurück. Ich erfuhr erst Monate später, dass unser Roi de la Lune die Puppe niemals erhalten hat. Keiner meiner Versuche, den Maxwell’schen Dämon erneut zu beschwören, hat gefruchtet. Elisabeth, die damals zwölf war, war lange unglücklich, obwohl die Puppe aus den gleichen Gussformen hergestellt war. Der Dämon fehlte ihr.“

    „Ja, und sie fehlte dem Dämon“, flüstert Tomke. „Ich habe die Frau aufgetrieben, von der Sie sprechen. Sie heißt Anna Lochner alias Madame Anne Bovery. Sie war eine deutsche Spionin in Frankreich, und augenscheinlich hat sie Ihren Brief bezüglich des Dämons abgreifen und die Codierung knacken können. Sie wollte den Dämon dem deutschen Kaiser bringen. Doch – und hier kommt etwas, worauf nur wir uns einen Reim machen können, denke ich: Sie entschied sich anders und schenkte die Puppe ihrer Nichte Æmelie, die damals etwas jünger als ihre Enkelin gewesen sein muss.“
    „Der Reim hat sich noch nicht eingestellt“, sagt der Puppenmacher und wedelt mit seinem Gewehr, damit Tomke es nicht vergisst.
    „Die Puppe hat sie beeinflusst! Die Puppe sehnte sich nach einem Kind – nach Elisabeth, und stattdessen bekam sie Æmelie. Anna Lochner verschenkte das Eigentum des deutschen Kaisers – und saß daraufhin siebzehn Jahre lang als Hochverräterin in der Haftanstalt Kahler Asten . Als ich sie nach der Puppe fragte, schien ihr Gedächtnis lückenhaft, obwohl sie sonst eine gesetzte, gereifte Persönlichkeit war. Sie habe zwei Dinge von hier mitgebracht. Einmal das Eigentum des Kaisers, und sie gibt an, sie müsse es verloren haben, und zum zweiten eine Puppe für ihre Nichte, ein kleines, einsames Mädchen aus dem Haus von Annas Bruder, dem Großindustriellen Lochner. Ob beides ein und dasselbe gewesen sein könne, habe ich sie gefragt, aber sie schüttelte nur den Kopf und antwortete nicht.“
    „Wo ist sie?“
    „Frei.“
    „Wo?“
    „Sage ich nich“, zwinkert Tomke. „Sie steht nicht mehr im Dienste des Kaisers.“
    „Aber warum sollte sie einem kleinen Mädchen meinen Dämonenprototyp schenken?“
    „Ich erzähle es Ihnen, und Sie sagen mir, ob ich richtig liege“, schlägt Tomke

Weitere Kostenlose Bücher