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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Kommandantin der Fryske Frijheid , weiß, dass sie wahrscheinlich ohne die Gastfreundschaft des Puppenmachers hier draußen sterben wird. Nach einer Dieberei kann sie auch im Dorf nicht mehr darauf hoffen, Gast in einer warmen Stube sein zu dürfen. Sie will ungern mit einer Puppe im Arm sterben, es gibt jemanden, dem sie das auf keinen Fall antun kann.
    Aber ohne Antworten zurückkommen kommt ebenfalls nicht in Frage. Es wird Zeit, gewisse Besessenheiten ein für allemal aus der Welt zu schaffen, und eine davon ist es, dass sie endlich herausfinden muss, was hinter den seltsamen Vorkommnissen mit den Puppen dieses alten Mannes steckt.
    Den Anbau hat sie bereits überprüft. Er ist nur ein Holzschuppen, und Tomke ist sich sicher, dass er niemals etwas anderes gewesen ist. Keine Puppenwerkstatt, wie die alten Leute sie hatten glauben machen wollen.
    Vielleicht haben sie nicht gelogen – vielleicht gibt es in diesem Haus keine Puppen mehr. Dann würde sie einfach ohne eine Puppe im Arm sterben, was noch frustrierender wäre.
    Sie zieht unter ihrem Schal eine Grimasse. Ihre Nase ist trotz der Wolle kalt wie ein Eiszapfen.
    Als ihre behandschuhten Hände vorsichtig über den Einlass zum Kohlenkeller fahren, die zentimeterdicke Schneeschicht wegwischen, sieht sie, dass Licht zwischen den Holzlatten hindurch schimmert. Licht, aber keine Geräusche, nichts, was sie durch die schmalen Schlitze ausmachen kann. Der Durchlass für die Kohlen wird ihre Tür ins Haus des Puppenmachers sein. Sie lächelt und holt das Werkzeug aus ihrer Jacke.

    Der Puppenmacher geht nie zu Bett. Nicht, dass er nicht schliefe – das würde selbst einen Dreiundachtzigjährigen, der unter seniler Bettflucht leidet, innerhalb kürzester Zeit töten. Er schläft nicht mehr in seinem Bett.
    Seit der Sache mit Elisabeth. Sie will bei den Puppen sein, und er will bei ihr sein.
    Als jemand durch die schräge Tür steigt, in die früher die Kohlen geliefert wurden – früher, als sie noch Kohle bekamen, vor der Knappheit (sie heizen nun schon seit Jahrzehnten mit Holz) – als jemand diese verrammelte Tür von der isolierenden Schneeschicht befreit, sie gewaltsam öffnet und hindurch steigt, da sitzt der Puppenmacher bereits mit seinem Vorderlader auf seinem Schaukelstuhl und erwartet die Einbrecherin grimmig.
    Das Fräulein steht da mit einem Stemmeisen und zieht wütend die Brauen zusammen. Wütend anscheinend vor allem über sich selbst. Sie hebt die Hände, und dann flammt das Lächeln auf, wieder so plötzlich, dass man glauben könnte, man stünde einer liebenswürdigen jungen Dame gegenüber und keiner grimmigen Verbrecherin.
    „Darf ich die Tür schließen, damit es nicht so kalt ist?“
    „Kalt ist es jetzt ohnehin“, brummelt der Puppenmacher. „Fragen Sie sich mal, wie lange das dauert, bis der Raum wieder warm ist! Machen Sie die verdammte Tür zu, und dann erzählen Sie mir, was das hier für ein schlechter Witz ist, ehe ich Sie erschieße!“
    Sie lässt das Brecheisen fallen, dreht ihm und der Mündung der Büchse den Rücken zu und schließt die Tür hinter sich. In einem Anflug von schlechtem Gewissen verriegelt sie sie mit der Brechstange. Dann dreht sie sich um und lässt den Blick schweifen. Es tut ihm leid, dass er sie töten muss.

    Reihen über Reihen über Reihen sitzen da.
    Manche sind zerbrochen, so wie die, die sie kannte. Manche sind unvollendet. Manche sind splitternackt. Die meisten aber sind, wie sie sein sollen. Kleine, vollkommene Porzellankinder – nein. Puppen sehen nicht aus wie Kinder, sondern so, wie Erwachsene sich Kinder wünschen. Ein bisschen putziger als in der Wirklichkeit, ein bisschen lieblicher, ein bisschen mehr ewig-kindlich.
    Kleine, pummelige Ärmchen, Beine, die nie laufen werden, Münder, die nicht sprechen … oder zumindest für gewöhnlich nicht.
    Die Reihen in der Werkstatt sind angeordnet wie Tribünen in einer Manege. In der Manege sitzt der Puppenmacher wie ein alter Zirkusdirektor. Seine Arbeitsgeräte sind unberührt in Kisten geräumt. Die Werkbank ist sauber und ordentlich, so dass Tomke sich fragt, was man tun muss, um Puppen zu erschaffen. Gießt er ihre Gesichter? Bläst er sie aus? Oder schafft er sie mit seiner Gedankenkraft?
    Sie wusste nie, ob es Æmelies Werk gewesen war, dass die Puppe sprach – ob es die hochbegabte Wissenschaftlerin gewesen war oder die Puppe selbst. Letztlich ist Tomke zu dem Schluss gekommen, der Puppenmacher würde es wissen.
    All die zuschauenden Puppen,

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