Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Titel:
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt
einen ausladenden Oberlippenbart, der an den Seiten zu Spiralen gewichst war. Seine Gemahlin, die neben ihm saß und Tindwerch immer wieder pikierte Blicke zuwarf, trug ein schneeweißes Kleid mit rosa Blumen. Bei den vielleicht elf Jahre alten Zwillingsmädchen waren die Blüten blau, und als nun Heike Most den Saal betrat, hatte auch sie sich umgezogen. Sie hingegen trug ein knallrotes Kleid, das im Gegensatz zu den anderen Damen der Familie einen ordentlichen Ausschnitt hatte.
Tindwerch spürte etwas an seinem Oberarm, und als er hinabblickte, sah er weit aufgerissene Augen und einen zu einem Kreis geformten Mund. Der Junior der Familie, in einen dunklen Luftschifferanzug mit kurzen Hosen gekleidet, fuhr mit dem Finger Tindwerchs Tätowierungen nach. Der Friese grinste.
„Mother, he smells rather peculiar!“, sagte einer der Zwillinge.
„Ilse, please!“, tadelte die Mutter sie daraufhin. Was immer das Kind gesagt hatte, es war wohl wenig schmeichelhaft gewesen. Tindwerch grinste auch die Mädchen an, die ein bisschen zurückschreckten.
„Herr Tin...“, setzte der Vater an und rang mit dem Namen.
„Tindwerch“, half er ihm.
„Herr Tinwerk“, wiederholte der Vater. „Sie haben eine Kleinigkeit an die Lippe.“
Tindwerch fasste hoch, während sich Heike den Stuhl von einem Diener zurecht schieben ließ, und sich setze. Tatsächlich sickte die Zahnwunde noch immer. Er wischte das Blut gleichgültig an der Hose ab, was verdattertes Einatmen der Mutter und Gekicher der Zwillinge hervorrief. Der Junior gab ihm eine Stoffservierte.
Tindwerch tunkte sie in ein Glas mit Wasser und wischte sich damit das Gesicht ab. Dann schnäuzte er sich und wollte das Tuch in die Tasche stecken, aber da war bereits ein dunkelhäutiger Diener mit weißen Handschuhen zu ihm getreten und nahm das Tuch huldvoll entgegen.
Als Tindwerch wieder aufschaute, schien die Frau des Hauses einer Ohnmacht nah, hatte aus dem Nichts einen Fächer herbeigezaubert und wedelte sich Luft zu.
„Danke, Kleiner“, sagte er und wuschelte dem Kind die sorgfältig gelegten Haare, was die Dame erneut in Schnappatmung versetzte.
„Das wird unterhaltsam“, dachte Tindwerch fröhlich.
„So, Mister Tinwerk“, sagte der Vater und erhob sich. „Please, lassen Sie mich maken eine toast.“
„Toast ist gut, Fleisch wäre mir lieber. Oder Torte.“
Mister Most lachte herzlich, dann presste er sich auf einen tadelnden Blick seiner Frau die Hand auf den Mund.
„Eine Trinkspruk“, stellte er klar.
„Ach so … auch gut!“, sagte Tindwerch und suchte nach dem Schnaps. Aber alle erhoben ihre Wassergläser. Vielleicht würde es auch nicht ganz so spaßig werden.
„Auf Herrn Tinwerk, wo unsere liebe Heike gerettet hat.“
„Cheers“, sagte die ganze Familie und nippte an dem Wasser.
„Hau wech die Scheiße!“, rief Tindwerch und trank das Glas aus.
Betroffene Stille antwortete ihm. Um sie zu durchbrechen, fragte Tindwerch: „Ilse, Heike, das sind jetzt eher keine typisch Ænglischen Namen, oder?“
„Meine Großmutter, die war aus de Münken. Darum wir benennen unsere Mädchen nach die Vorfahren of this lineage.“
„Jo, kann man machen“, sagte Tindwerch und blickte sich nach der Tür um, hinter der er die Küche vermutet. Es war allerdings ein eher verwegener Tipp, denn der riesige Speisesaal hatte fünf Türen, zwischen den Türen standen schwere, dunkle Möbel, darüber hingen goldene Gaslampen und am Stirnende, hinter dem Vater, gab es einen riesigen Kamin. Wenn er es nicht besser wüsste, hätte das Haus auch in London stehen können.
„So, was maken Sie beruflich?“, erkundigte sich der Vater.
Tindwerch unterdrückte ein Schmunzeln und sagte: „Ich mache in Akquise und Beförderung.“ So hatte es sein Kumpel Ignazius immer ausgedrückt, wenn er nicht Pirat sagen wollte.
„Oh, splendid. Dann wir sind Kollegen, so to say. Ick habe einige Airships, mit die ich importiere und exportiere. Vielleicht wir haben schon zusammengearbeitet?“
Jetzt konnte Tindwerch nicht mehr an sich halten und lachte. „Durchaus denkbar.“
Da die anderen Familienmitglieder anscheinend kein Deutsch verstanden, musste der Vater immer wieder übersetzen. So auch jetzt, als Heike Tindwerch ansprach.
„Sie mökte noch eine Mal ihre Dank ausdrücken. Ohne Ihre Hilfe wir hätten unsere kleine Heike wohl never again gesehen.“
„Passt schon“, winkte Tindwerch ab. „Aber so langsam könnte es echt was zu essen geben!“
Mister Most
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