Eis und Wasser, Wasser und Eis
dann mit einem Achselzucken zur Seite geworfen. Alle wussten ja wohl, dass man die Zähne putzen und sich unter den Achseln waschen sollte. Hingegen wussten längst nicht alle – erklärte sie und beugte mit einem kleinen Stöhnen ihren stramm geschnürten Körper, um eine große Beautybox auf den Tisch zu hieven –, wie man sich schminkte. Aber das sollten sie jetzt lernen. Ein zaghaftes Lächeln breitete sich unter den Vierzehnjährigen um den Tisch herum aus. Endlich!
Seitdem waren alle Kursusabende nach dem gleichen Muster verlaufen. Frau Salomonsson, mollig, mit viel Haarspray und sorgfältig geschminkt, wogte in den Raum, schwer beladen mit Produkten und Gratispröbchen aus ihrem Geschäft. Die Mädchen stellten kleine Spiegel auf dem Tisch vor sich auf und warteten auf die Einleitung. Frau Salomonsson saß reglos da, bis sie vollkommen still waren, reckte dann einen sorgfältig manikürten Zeigefinger in die Luft und setzte zu ihrer einleitenden Proklamation an:
»Gute Reinigung, meine jungen Damen, ist die Grundlage aller Schönheitspflege. Und da genügt es nicht mit Wasser und Seife, müsst ihr wissen. Ganz gleich, was in den Büchern steht.«
Sie warf dem Lehrbuch einen verächtlichen Blick zu, das einzige Exemplar, das Ingalill trotzig neben ihrem Spiegel liegen hatte. Alle anderen nahmen ihre Lehrbücher gar nicht mehr mit. Susanne hatte ein paarmal in ihrem geblättert und sich seufzend gefragt, wie man so ein spannendes Thema nur so langweilig präsentieren konnte. Sie war der gleichen Meinung wie Frau Salomonsson. Wer musste lernen, dass man Äpfel essen und die Unterwäsche wechseln sollte? Das wussten ja wohl alle. Aber Susanne wollte lernen, hübsch zu sein, so hübsch, dass die Jungs in der Schule nach Luft schnappten, wenn sie sie sahen, so hübsch, dass sie nie wieder an sich selbst zweifeln musste, so hübsch, dass sie mit kerzengeradem Rücken über die Schulflure gehen und allen in die Augen sehen konnte …
»Und deshalb, meine jungen Damen, ist es notwendig, sich eine gute Reinigungscreme zu besorgen. Wie beispielsweise Soil Absorbing. Das ist die allerbeste.«
Sie ließ das Fläschchen am Tisch herumgehen, und ein Mädchen nach dem anderen träufelte sich etwas von der milchig weißen Flüssigkeit auf die Fingerspitzen, bevor sie vorsichtig versuchten, sie im Gesicht zu verreiben. Frau Salomonsson stand auf und ging um den Tisch, die Hände auf dem Rücken wie eine richtige Lehrerin. Sie sprach langsam und deutlich:
»Ich habe gehört, dass es Mädchen geben soll, die von Soil Absorbing erst Pickel bekommen. Ich möchte betonen, dass das nicht ein Fehler der Creme ist. Ganz im Gegenteil, das ist ein Zeichen dafür, wie effektiv sie ist, dass sie die Unreinheiten geradezu aus der Haut herauszieht, und dann können Mitesser entstehen. Deshalb sollte man dann nicht aufhören, sie zu benutzen, sondern sich stattdessen in Geduld üben. Nach ein paar Wochen gibt sich das.«
Aber bei Ingalill hatte es sich nicht gegeben. Ihre Pickel waren schlimmer als je zuvor. Frau Salomonsson fasste sie bereits am dritten Kursabend unters Kinn:
»Benutzt du wirklich Soil Absorbing ?«
Ingalill senkte die Augenlider über feuchten Augen und murmelte eine Antwort. Ja. Susanne nickte bestätigend. Ingalill hatte sich wirklich eine kleine Flasche in Frau Salomonssons Geschäft gekauft und sie fleißig benutzt, das wusste sie. Aber jetzt war die Flasche bald aufgebraucht, und die Pickel waren schlimmer denn je. Das Problem war, dass Ingalill es sich niemals würde leisten können, eine neue Flasche zu kaufen. Sie bekam nicht einmal Taschengeld, denn ihre Mutter war geschieden und hatte keine richtige Arbeit. Sie putzte abends Büros, aber nicht so viele, dass es für Reinigungscremes und Lippenstift reichte. Nur wenn der Vater auftauchte und betrunken genug war, bekam Ingalill mal eigenes Geld, aber darüber durfte man nicht sprechen. Vielleicht saß er auch gerade auf dem Trockenen, und es war gar nicht mit ihm zu rechnen.
»Du musst wirklich sehr unreine Haut haben«, sagte Frau Salomonsson und schüttelte besorgt den Kopf. »Sehr unrein. Du solltest vielleicht außerdem noch ein Gesichtswasser nehmen, ein richtig starkes Gesichtswasser …«
Susanne brauchte kein Gesichtswasser. Sie hatte keine Mitesser, dafür war ihr Gesicht aber auch das Einzige, was in Ordnung war. Ansonsten hatte sie nicht viel zu bieten, dachte sie und blinzelte ihr Spiegelbild an. Die Wangen waren zu rund, die Sommersprossen
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