Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
Vom Netzwerk:
für dich«, sagte Eva und reichte ihr eine kleine Papiertüte. Susanne wollte schon einen Knicks machen, konnte sich aber in letzter Minute noch beherrschen.
    »Danke schön.«
    »Das sind nur ein paar Gratisproben. Und der Eyeliner, den ich an dir benutzt habe. Damit kannst du zu Hause üben.«
    »Danke, vielen, vielen Dank.«
    Eva lachte, als hätte Susanne etwas Witziges gesagt.
    »Nichts zu danken. Wo wohnst du?«
    Susanne hätte fast wieder einen Knicks gemacht. Jetzt musste sie sich aber zusammenreißen. Eva war ja nur ein paar Jahre älter.
    »In der Svanegatan.«
    »Na, so ein Zufall. Ich will gerade in die Svanegatan. Zu einer Freundin. Wollen wir zusammen gehen?«
    Jetzt war es nicht mehr zu vermeiden. Jetzt machte Susanne einen Knicks, wenn auch nur einen winzigen, nur so wenig, dass der Impuls ihren Körper verlassen konnte. Eva schien nichts zu bemerken, aber Ingalill, die an der Treppe wartete, schnaubte leise.
    »Ich gehe jetzt«, sagte sie mit lauter Stimme. »Hörst du, Susanne? Ich gehe jetzt nach Hause.«
    Susanne winkte ihr eilig zu.
    »Ja, tschüs. Wir sehen uns morgen.«

Draußen wartete die Dunkelheit, eine kalte, windstille Dunkelheit, die nur von einer kugeligen kleinen Laterne vor den Unterrichtsräumen durchbrochen wurde. Susanne richtete ihren Blick auf sie, während Eva ihr Fahrrad aufschloss und es aus dem Fahrradständer zog. Es war ein pinkfarbenes Fahrrad. Susanne wusste nicht einmal, dass es pinkfarbene Fahrräder gab.
    Eva war nicht wie die anderen großen Mädchen, es gab nichts Forderndes, nichts Verächtliches an ihr, nichts Einschmeichelndes oder Neugieriges. Sie schob nur ihr Fahrrad, während sie nebeneinander hergingen, und sagte zunächst kein Wort über Björn. Stattdessen fing sie an, von sich zu erzählen, zuerst mit leiser Stimme, dann immer lebhafter. Sie hatte schon ein paarmal überlegt, ob sie sich nicht für ein Schönheitsinstitut in Stockholm bewerben und sich dort richtig zur Kosmetikerin ausbilden lassen sollte, gleichzeitig fand sie aber, das war ein ziemlich oberflächlicher Beruf. Im Grunde genommen. Vielleicht wäre es besser, Krankenschwester zu werden, das war ja der Beruf, von dem sie geträumt hatte, als sie noch klein war. Sie hatte den Realschulabschluss und ein Zeugnis, das dafür reichte, aber dann waren da ja ihre Mutter und ihr Geschäft, sie wollte ihre Mutter nicht mit der ganzen Verantwortung allein lassen. Hatte Susanne eigentlich einen Traumberuf? Und wie kam es, dass sie eleganter als alle anderen sprach? War sie weiter nördlich geboren? Und war sie genauso musikalisch wie ihr Bruder? Denn Eva hatte doch richtig gehört, als die anderen Mädchen geflüstert hatten, dass Susanne Björn Hallgrens Schwester war? Susanne antwortete mit einem kurzen Seitenblick:
    »Ich bin nicht seine Schwester. Nicht richtig. Aber wir sind zusammen aufgewachsen.«
    Eva sah überrascht aus:
    »Stimmt das? Aber wo sind dann deine Eltern?«
    »Das sind meine Eltern, bei denen wir wohnen. Björns Mutter fährt zur See, deshalb wohnt er bei uns. Das war schon immer so.«
    Eva nickte nachdenklich, eine Weile blieb es still. Nur das Geräusch ihrer Sohlen auf dem Kies des Fußwegs war zu hören.
    »Ich habe mir immer Geschwister gewünscht«, sagte Eva dann. »Eine niedliche kleine Schwester. Oder einen großen Bruder.«
    Susanne murmelte etwas als Antwort, schob die Hände tiefer in die Taschen und strich mit der rechten Hand über die Papiertüte mit den Gratispröbchen. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, sich Geschwister zu wünschen. Vielleicht stimmte etwas nicht mit ihr. Aber Eva merkte nichts, lächelte nur und schaute ein wenig verträumt vor sich hin.
    »Aber wenn dein Cousin immer bei euch zu Hause gewohnt hat, dann ist er doch so etwas wie dein großer Bruder. Praktisch gesehen.«
    Ein Ausweg. Susanne seufzte unmerklich vor Erleichterung.
    »Ja. Schon. Das ist er wohl.«
    »Du Glückspilz.«
    Sie blieben eine Weile vor der Pforte stehen und unterhielten sich noch. Eva war vor ein paar Jahren in dieselbe Schule wie Susanne gegangen und wollte nun wissen, welche Lehrer Susanne hatte und was sie von ihnen hielt. Das offene Lächeln besiegte Susannes Schüchternheit, sie wurde immer lebhafter und erzählte, dass ihr Vater Studienrat in Geschichte und Politik war – Birger Simonsson, genau der – und dass ihre Mutter Hauswirtschaftslehrerin in der Tuppaschule war, was aber das Leben nicht gerade einfacher machte. Ganz im Gegenteil. Wenn sie oder Björn mal

Weitere Kostenlose Bücher