Eis und Wasser, Wasser und Eis
perfekt. Dann konnte sie sich in der Telefonzelle auf dem Weg zur Schule schminken und toll aussehen, wenn sie in der Schule ankam.
Jetzt musste sie aber Licht machen, sonst konnte sie keinen Lippenstift aussuchen, also stand sie auf und streckte sich nach der Schmucklampe auf der Fensterbank, hielt aber mitten in der Bewegung inne. Björn und Eva standen noch hinter der Pforte. Sie sahen aus wie ein Paar in einem Film, er mit seinem glänzenden dunklen Haar und sie mit ihrem hellen Gesicht, sie unterhielten sich, rauchten und lachten, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Und als Susanne die Lampe einschaltete, drehten sie ihr das Gesicht zu, lächelten und hoben beide die Hand zum Gruß. Als ob sie sie mochten. Als ob beide sie wirklich gern mochten.
Warum war ihr plötzlich nach Weinen zumute?
Weil sie ein Idiot war natürlich. Wie Ingalill gesagt hätte. Obwohl, nein, das nicht, das war etwas, was Ingalill vor ein oder zwei Jahren gesagt hätte. Jetzt würde sie eher behaupten, dass Susanne hoffnungslos sentimental sei. Mit Betonung auf hoffnungslos .
Jetzt sagte Björn etwas zu Eva, die nickte, lächelte, und die beiden winkten Susanne noch einmal zu, bevor sie ihr den Rücken zukehrten und fortgingen. Eva hatte die Hände in die Taschen gesteckt, ihr blonder Kopf war die ganze Zeit in Bewegung, als würde sie etwas äußerst Wichtiges erzählen, etwas, das mit viel Nicken und Kopfschütteln betont werden musste. Björn schien ihr intensiv zuzuhören, während er mit der einen Hand die Kapuze hochzog und mit der anderen das pinkfarbene Fahrrad schob.
Susanne folgte ihnen mit dem Blick, während sie langsam in der Dunkelheit verschwanden.
Sie hörten das Meer, konnten es jedoch nicht sehen. Der Abend lag schwer über dem Öresund, eine frische, schärfere Kühle schloss sich um Björns Hände, mit denen er Evas Fahrradlenker hielt. Das machte nichts. Er genoss diese raue Kälte, genoss sie so intensiv, dass er einen Atemzug lang alles, was seine Person betraf, vergaß – Bin ich krank gewesen? – , bis ihm wieder einfiel, warum er so selten frische Luft bekam. Vom Glück getroffen war er. Seit Monaten in Autos und Hotels, in Clubs und Lokale eingesperrt. Aber jetzt nicht. Jetzt war er frei, er war daheim, und er ging mit einem Mädchen am Ufer entlang, Linjen, diese Strandpromenade, die junge Verliebte in Landskrona immer entlanggegangen waren. Die Abstände zwischen den Laternen, die den schmalen Kiesweg beleuchteten, waren groß, aber das machte nichts. Es gefiel ihm, vom Licht ins Dunkel zu gehen und aus dem Dunkel wieder ins Licht, Eva anzusehen, wenn sich ein Laternenpfahl näherte, und selbst nicht gesehen zu werden, wenn sie die Lampe hinter sich ließen. Er kannte sowohl die Dunkelheit als auch das Licht hier, sie waren an vielen späten Abenden Linjen entlanggeradelt, er wusste, dass die Zitadelle sich irgendwo links hinter dem Wallgraben versteckte und dass er nur den Kopf ein wenig nach rechts drehen musste, um auf der anderen Seite des Wassers den fernen Sternenhimmel zu sehen, der Kopenhagen genannt wurde.
»Eis«, sagte er und blieb an einer Pfütze stehen.
»Oh«, sagte Eva und bohrte einen spitzen Stiefelabsatz in die dünne Oberfläche, die mit leisem Knirschen zerbrach. Die Risse bildeten ein weißes Spinnengewebe. Björn lachte und tat es ihr gleich, aber seine Hacke war nicht klein und spitz, deshalb brach das gesamte Eis, verlor seine Farbe und wurde in kleine Scherben in einer braunen Brühe verwandelt.
»Glaubst du, das ist ein Instinkt?«, fragte Eva.
»Was?«
»Na, dass man in jeder Pfütze, die man sieht, das Eis kaputt machen muss.«
»Muss man das?«
»Ich muss das. Und du offenbar auch.«
Er lächelte sie an, wich nicht mehr ihrem Blick aus.
»Wir sind uns wohl ziemlich ähnlich.«
Ein kurzes Lächeln, dann war sie diejenige, die dem Blick auswich.
»Kann sein.«
Sie gingen weiter, aber jetzt langsamer und mit längeren Pausen im Gespräch.
Noch hatte sie kein Wort über die Typhoons gesagt. Nicht ein einziges Wort. Das war schön und gleichzeitig irritierend in einer Art und Weise, die er selbst nicht richtig beschreiben konnte. In letzter Zeit hatte ja nicht gerade ein Mangel an Mädchen geherrscht, die über die Typhoons hatten reden wollen. Es hatte sie überall gegeben, im Hotel und in den Clubs, in den Freilichtarenen und auf den Festplätzen, in Gröna Lund und Liseberg, vor der Plattenfirma und im Tourneebus. In einer Raststätte vor Gränna
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