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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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und hält sie ihr hin – die Geste sieht aus wie eine Reklame aus den Sechzigerjahren –, und sie sieht plötzlich ihre eigene Hand, wie die sich ausstreckt und nach der Zigarette greift. Es prickelt vor Wohlbehagen in ihrem Körper, hunderttausende, nein, Millionen Neuronen recken sich und schauen sich verschlafen um – Nikotin? Ist das wirklich Nikotin? – , während sie sich die Zigarette zwischen die Lippen steckt, sich vorbeugt und von dem Namenlosen neben ihr Feuer geben lässt.
    Oh.
    Der Genuss breitet sich wie ein Fächer in ihrem Körper aus. Susanne schließt die Augen. Dass sie so gierig aufs Rauchen ist. Dass sie acht lange Jahre lang mit dieser Gier nach Nikotin herumgelaufen ist. Davon hatte sie keine Ahnung.
    »Entschlossen«, sagt der Mann neben ihr.
    »Was?«
    Das ist Sofia. Das muss Sofia sein, das weiß sie, auch wenn sie sie nicht sehen kann. Sie will die Augen bei einem weiteren Zug noch geschlossen halten. Dann wird sie sich an der Bar ein Glas Wein holen.
    »Resolute. Das bedeutet entschlossen.«
    Das ist Martin. Susanne öffnet die Augen und sieht ihn an. Er ist schön. Olivfarbene Haut. Braune Augen. Sofia erhascht ihren Blick.
    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts. Außer dass ich seit acht Jahren nicht mehr geraucht habe.«
    Sie schließt die Augen und nimmt einen dritten Zug. Das Erlebnis verändert sich: Der Genuss ist tiefer, aber gleichzeitig weckt der Tabakgeschmack eine leichte Übelkeit in ihr, die sich kurz im Magen bemerkbar macht. Nichts Besorgniserregendes.
    »Stimmt das?«
    Der Mann neben ihr legt den Arm auf die Rückenlehne hinter ihr. Sie lässt es zu. Warum nicht?
    »Das stimmt.«
    »Mein Gott. Wenn ich das gewusst hätte …«
    Sie öffnet die Augen und lächelt ihn an.
    »Mach dir keine Gedanken. Ich rauche nur die eine hier.«
    »Sicher?«
    »Sicher. Und vielleicht noch eine.«
    Er lacht kurz auf und schüttelt den Kopf. Susannes Lächeln wird breiter. Irgendwo in ihrem Kopf hockt eine kleine Frau und will sich gerade erheben, um zu protestieren. Rauchen ist tödlich! Susanne schubst sie, dass sie umfällt. Na und? Wir gehen doch immer dem Tode entgegen, wo wir auch gehen und stehen, und wenn eine einzige Zigarette sie dazu bringt, sich leicht und glücklich zu fühlen, sich selbst und ihr Leben zu vergessen, um wie viel glücklicher wird sie dann nicht werden, wenn sie zwanzig geraucht hat? Oder zwanzigtausend?
    »Möchte sonst noch jemand was?«
    Das ist Vincent, er hat sich halb hochgezogen und greift nach seinem leeren Bierglas.
    »Ja«, sagt Susanne. »Ein Glas Weißwein.« Als er gegangen ist, wird es still, und das ist gut. Der Körper braucht seine Zeit um zu genießen, er ist jetzt vollkommen entspannt, die Haut ist glatt wie ein abgewetzter Handschuh, die Muskeln warm und schwer von Blut. Sie lehnt sich zurück und lässt ihren Nacken auf dem Arm des fremden Mannes ruhen. Ein Gedanke flattert vorbei – Jemand kommt immer wieder in meine Kajüte. Kann er es sein? –, und sie betrachtet ihn ohne Furcht. Und wenn es so wäre? Was könnte sie dagegen tun?
    »Hier«, sagt Vincent und stellt ein Glas vor sie. Sie richtet sich auf.
    »Hast du es auf meinen Namen angeschrieben?«
    »Natürlich. Kein Problem.«
    Sie nickt stumm und hebt das Glas, schaut sich um, während sie trinkt. Die beiden Männer aus dem Maschinenraum sind jetzt richtig eingeschlafen, ihre Köpfe liegen schräg, einem von ihnen hängen die Arme zu beiden Seiten über die Sessellehnen herunter. Die beiden Amerikaner rauchen schweigend. Martin und Sofia mühen sich aus ihrem Sessel hoch, Susanne beobachtet die beiden, während sie den letzten Rest Zigarettenrauch inhaliert, hebt dann die Hand zu einem stummen Gruß.
    »Oh«, sagt sie, als sie sich vorbeugt, um die Kippe auszudrücken. »Ich hatte ja keine Ahnung …«
    Der Mann neben ihr hat langsamer geraucht, aber er ahmt ihre Bewegung nach, beugt sich über den Tisch vor und drückt seine halb gerauchte Zigarette aus. Er guckt sie ernst an.
    »Keine Ahnung – wovon?«
    »Dass ich solche Lust aufs Rauchen hatte.«
    »Hätte ich das gewusst, ich hätte niemals …«
    Sie rutscht ein wenig zur Seite, schiebt noch einmal zehn Zentimeter Luft zwischen sich und ihn.
    »Mir sind schon früher Zigaretten angeboten worden. Aber da habe ich immer abgelehnt. Und jetzt habe ich eine angenommen.«
    Eine Weile bleibt es still, sie sitzen reglos nebeneinander auf dem Sofa. Er hat immer noch seinen linken Arm hinter Susanne ausgestreckt, aber jetzt lehnt sie

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