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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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»Und gute Nacht.«

Anders wacht auf, schläft ein und wacht wieder auf.
    Vielleicht liegt es daran, dass er nicht allein in seiner Kabine ist, daran, dass ein anderer Mensch in dem Krankenbett neben seiner eigenen Koje liegt. Er richtet sich halb auf, stützt sich auf die Ellbogen und schaut über das hochgezogene Gitter. Robert schläft immer noch. Es sieht aus, als träumte er, seine Augen bewegen sich schnell unter den Lidern, und plötzlich hebt er die verletzte Hand, hält sie zehn Zentimeter übers Kissen, bevor er das Gesicht verzieht und sie dann wieder sinken lässt. Vielleicht hat er Schmerzen. Anders wirft einen Blick auf die Uhr. Halb fünf. Da wird die Betäubung ihre Wirkung verloren haben. Und der Kater sammelt seine Kräfte.
    Er klopft aufs Kopfkissen und legt sich wieder hin, schließt die Augen und versucht wieder einzuschlafen. Das geht nicht. Er wechselt die Stellung und versucht es erneut, strengt sich an, jeden Gedanken aus dem Kopf zu vertreiben, aber das ist natürlich unmöglich, denn unter den oberflächlichen Gedanken gibt es andere Gedanken, wortlose Bilder, die ihm durch den Kopf schwirren – Evas Lächeln früher, als sie noch jung waren, ihr Hohngelächter, ihr Rücken und Nacken – , und die will er weder sehen noch an sie erinnert werden. Er dreht sich wieder auf den Rücken und zählt rückwärts, ab tausend, gibt aber bereits irgendwo um achthundertfünfzig auf. Es besteht keine Chance, wieder einzuschlafen. Er schlägt die Augen auf und schaut an die Decke. Er ist nicht mehr müde, das ist alles. Wenn da nicht diese Stille wäre, die ihn wach hält. Das Schiff liegt immer noch still, und es ist nicht ein Laut zu hören. Die Musik aus der Bar hat endlich aufgehört. Alle schlafen jetzt.
    »Oh!«, sagt Robert mit vollkommen klarer Stimme, einer Stimme, die viel heller ist als die, mit der er spricht, wenn er wach ist. »Ooh!«
    Anders ist sofort auf den Beinen, sieht aber noch im selben Moment, als er sich über das Krankenbett beugt, dass Robert weiter so tief schläft wie zuvor. Er lässt sich wieder auf die eigene Koje sinken und bleibt dort sitzen, reibt sich ein wenig das Gesicht, bis er plötzlich die Arme um sich selbst schlingt. Es ist kalt in der Kabine, viel kälter als gestern. Vor dem Fenster ist die Welt immer noch grau von Nebel und Nieselregen. Er steht auf und geht zum Schrank, öffnet ihn ganz leise, zieht sich den Bademantel und ein paar Strümpfe an, bleibt dann stehen, die Hände in den Taschen. Was soll er jetzt tun? Das Buch, das er am gestrigen Abend in der Schiffsbibliothek gefunden hat, ist mehr als langweilig. Bleibt der Computer. Er kann eine Mail schicken. An irgendjemanden. An wen auch immer.
    Äußerst vorsichtig löst er das Spannseil, das den Stuhl an seinem Platz am Schreibtisch hält, hebt ihn dann an, um ihn geräuschlos herausziehen zu können, setzt sich und öffnet seinen Laptop, denkt sogar daran, den Ton vorher herunterzudrehen. Ein merkwürdiges Gefühl, als sich die Mailbox stumm öffnet. Als wäre nichts von all dem wirklich.
    Aber natürlich ist es wirklich. Er hat drei neue Nachrichten. Eine von seiner Schwester. Und zwei von Bengt Bengtsson. Er beugt sich näher über den Schirm, schließt die Augen und reibt sich die Stirn, aber die Tatsache bleibt bestehen, als er die Augen wieder öffnet. Er hat drei Mails. Zwei davon von Bengt Bengtsson. Die Betreffzeile ist bei keiner Mail ausgefüllt.
    Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und versucht sich zu konzentrieren, schließt noch einmal die Augen und öffnet sie wieder. Es nutzt nichts. Der Name ist mit einem Gesicht gekoppelt. Bengt Bengtssons. Der Mann, der einst Landskrona ärmer verließ als je einer zuvor und jetzt zurückgekommen ist, wohlhabender als jeder andere. Der Mann, der das größte der großen alten Häuser am Strandvägen gekauft hat, es entkernen und grundsanieren hat lassen und der außerdem die Baugenehmigung für ein Poolhaus bekommen hat, nur wenige Meter vom Ufer des Öresunds entfernt. Der Mann, der über ein Jahr lang eine heimliche Affäre mit Eva hatte. Der Mann, der jetzt mit ihr zusammenlebt. Vollkommen offen. Vor aller Augen. Der Mann, der also Anders erniedrigt …
    Blödsinn. Anders zwinkert und setzt sich gerade hin. Er hat doch kein einziges Mal an diesen Kerl gedacht, seit er an Bord gegangen ist, hat ihn beiseitegeschoben und ihn aus seinem Gehirn verwiesen, und das gedenkt er weiterhin zu tun. Und Eva? Ehrlich gesagt war er doch froh, sie los zu

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