Eis und Wasser, Wasser und Eis
wonach es aussieht. Aha. Und was bedeutet das? Dass sie nicht mit Bengt Bengtsson zusammenlebt? Und was will sie? Wirklich?
Die Antwort ist glasklar. Sie will sowohl ihn als auch Bengt Bengtsson. Sie will, dass Anders immer noch am Rande ihres Lebens existiert, stets bereit zu trösten und zu verstehen für den Fall, dass Bengt Bengtsson nicht bereit sein sollte, ständig zu trösten und zu verstehen. Es könnte natürlich auch sein, dass sie ihn bei ihren Essenseinladungen am Strandvägen als Statussymbol haben will – mein Ex-Mann! Einen Moment lang kann er es direkt vor sich sehen, sieht, wie Eva sich dicht an Bengt Bengtsson schmiegt und ihn dazu bringt, ihr den Arm um die Taille zu legen, wie sie in diesem neu eingerichteten Salon steht und ihre Gäste anlächelt, besonders ihn, der er am Rande der Gruppe steht und versucht, sein Gesicht unter Kontrolle zu halten.
Natürlich. So will sie es haben. Er kann sogar das Lächeln in ihrer Stimme hören: Mein Mann und mein Ex-Mann. Wir sind alle drei so gute Freunde!
Nein. Er macht seinen Rücken gerade und betrachtet sich selbst im Spiegel. Das wird nicht passieren. Er denkt gar nicht daran, es dazu kommen zu lassen.
»Nein«, sagt er laut zu sich selbst. »Niemals.«
Der Morgen ist trostlos, und der Vormittag wird noch trostloser.
Bereits beim Frühstück macht sich eine lustlose Stimmung breit. Am Tisch der Besatzung herrschen von Anfang an Schweigen und schlechte Stimmung, und das wird nicht besser, als ein paar leicht verkaterte Forscher auftauchen. Ein Teil von ihnen grüßt kaum, und das wird registriert, auch wenn niemand dazu eine Bemerkung fallen lässt, aber Blicke werden gewechselt, und das genügt. Die jüngeren Forscher kippen nur ein wenig Kaffee in sich hinein, einige von ihnen, weil ihnen noch etwas übel ist, andere, weil sie leicht wie Luft sind nach einer Nacht voller Liebe. Aber allen ist gemeinsam, dass sie ungeduldig sind. Sie wollen an Deck kommen und die CTD-Rosette so schnell wie möglich ins Wasser lassen, während die Älteren versuchen, nicht zu deutlich zu zeigen, wie gering ihr Enthusiasmus ist. Sie wissen, was die Jüngeren nicht wissen, dass die Probeentnahmen heute in erster Linie einen pädagogischen Wert haben, aber keiner von ihnen kann sich aufraffen, das laut zu sagen. Sie bleiben nur etwas länger als üblich über ihren Kaffeetassen sitzen, lange genug, dass sich die Ungeduld der Jüngeren in offene Verärgerung wandelt. Schließlich stehen sie auf und ziehen sich langsam aus der Messe zurück, und kaum sind sie gegangen, da stehen auch die Fernsehjournalisten und einige der anderen Gäste auf und folgen ihnen.
Als Anders zum Frühstück hinunterkommt, ist der Esssaal fast leer. Nur zwei schlecht gelaunte Seeleute sitzen am Tisch der Besatzung und eine einsame Susanne an einem anderen. Eier gibt es nicht mehr, und auch von dem Haferbrei befindet sich nur noch ein winziger Klecks am Boden des Topfes. Er kratzt, so viel er kann, heraus und legt etwas Brot und Käse dazu, um sich dann, nicht ohne einen leisen Seufzer, zu Susanne an den Tisch zu setzen. Er sucht den Platz sorgfältig aus: mit dem Rücken nach achtern, da sie mit dem Rücken zum Bug sitzt, aber nicht genau der Platz ihr gegenüber. Sondern vis-à-vis. Vielleicht begreift sie ja, dass das bedeutet, dass er nicht reden will.
»Hallo«, sagt er trotzdem in einem Versuch, freundlicher zu wirken, als er sich fühlt.
Sie schaut blinzelnd auf, als würde sie jetzt erst bemerken, dass er hier ist.
»Oh, hallo«, sagt sie dann.
Eine Weile schweigen beide. Anders konzentriert sich auf seinen Brei, er will um jeden Preis vermeiden, an das zu denken, was ihm die ganze Zeit durch den Kopf geht. Eva und ihre Mail. Er hat nicht geantwortet. Und obwohl er tatsächlich langsamer geworden ist, als er an der Kajüte mit dem Satellitentelefon vorbeiging, ist er nicht stehen geblieben. Er hat sich davon abhalten können, hineinzugehen und ihre Nummer zu wählen. Das ist das erste Mal. Das allererste Mal in fast fünfunddreißig Jahren, dass er nicht von sich hat hören lassen, obwohl Eva ihn darum gebeten hat. Es ist zwar erst halb zehn, aber er weiß, dass es so bleiben wird. Er wird nicht auf ihre Mail antworten, und er wird sie nicht anrufen. Nicht heute. Vielleicht morgen auch nicht. Vielleicht nie wieder.
Das lässt ihn mit sich selbst zufrieden sein. Aber es macht ihn auch ein wenig nervös. Denn wie wird sein Leben aussehen ohne Eva? Und warum fühlt er sich so leer
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