Eis und Wasser, Wasser und Eis
Vormittag damit verbracht, Inez nicht aus den Augen zu lassen, und sobald sich die Tür hinter ihr schloss – sie wollte zunächst zu Lydia und dann auf den Markt, natürlich, samstags ging sie immer zu Lydia und auf den Markt –, hatte Susanne sich beeilt, den Beutel, den sie von Eva geschenkt bekommen hatte, hervorzuholen. Sie hatte fast eine halbe Stunde gebraucht, um sich zu schminken, und es war hübsch geworden, richtig hübsch, aber bis jetzt hatte Eva noch kein Wort über ihr Gesicht verloren. Was Susanne enttäuschte und sie gleichzeitig beschämte, auch wenn sie nicht recht wusste, wofür sie sich eigentlich schämte.
»Ich glaube, ich möchte ein Stück Kuchen«, sagte Eva. Jetzt klang ihre Stimme wieder fast normal. Susanne nickte erneut, dachte aber gleichzeitig an das Geld in ihrem Portemonnaie. Würde es für einen Kuchen reichen?
»Wie viel kostet das denn?«, fragte sie vorsichtig.
Eva lächelte, ein warmes, freundliches Lächeln. Fast erwachsen.
»Ich bezahle das. Mach dir keine Sorgen.«
»Ich dachte nur …«
»Kein Problem. Ich bezahle.«
Eine Weile blieb es still. Eine Kellnerin in schwarzem Kleid und weißem Schürzchen räumte Geschirr von dem Nachbartisch ab, sie antwortete mit einem Nicken, als Eva eine Geste in ihre Richtung machte. Sie würde gleich kommen. Eva lächelte ihr hinterher, faltete dann die Hände und schob sie sich unter das Kinn, schaute Susanne an und lächelte noch breiter.
»Ich wusste gar nicht, dass er so groß ist.«
Susanne schaute verwirrt:
»Wer?«
»Tommy. Dass er so groß ist.«
Susanne nickte. Einer der Jungs aus der Band war sehr groß, das wusste sie, aber sie hatte nie darauf geachtet, dass es der war, der Tommy hieß. Doch jetzt wusste sie es, und ab jetzt würde sie es nicht mehr vergessen.
»Doch, stimmt. Er ist groß.«
»Wie oft hast du sie getroffen?«
Susanne wand sich ein wenig schuldbewusst.
»Nur einmal. Als sie vor einem Monat in Malmö gespielt haben. Da waren wir alle zusammen dort.«
Evas Augenbrauen sprangen in die Höhe:
»Deine Eltern auch?«
Susanne nickte stumm
»Ich war auch dort«, sagte Eva. »Aber ich habe keinen guten Platz mehr gekriegt …«
Die Kellnerin stand plötzlich an ihrem Tisch. Eva lächelte sie an.
»Zwei Kaffee bitte. Und zwei Prinzessinnentörtchen.«
Sie warf Susanne einen Blick zu. Oder? Susanne nickte erneut, sah, wie Eva der Kellnerin noch ein Lächeln schenkte und sich die Jacke aufknöpfte. Susanne schaute sich schnell um, sie war noch nie vorher in dieser Konditorei gewesen, tatsächlich war sie mit ihren vierzehn Jahren überhaupt noch nie in Landskrona in einer Konditorei gewesen. In Malmö einmal, in Lund zweimal und in Kopenhagen viermal. Aber noch nie in Landskrona. Inez fand, das war nicht nötig. Kaffee hatten sie schließlich zu Hause.
»Warst du auch hinter der Bühne?«
Susanne schaute auf und lächelte bei dem Gedanken.
»Ja. Wir durften hinter die Bühne, bevor sie anfingen. Um guten Tag zu sagen.«
Aber es war nicht viel aus der Begrüßung geworden. Björn war ganz anders als sonst gewesen, hatte laut und schrill geredet, während er sich umzog, als wollte er verhindern, dass jemand anderer einen Stich bekam. Und die anderen Jungs in der Band hatten sich kaum sehen lassen. Der lange Tommy war draußen auf dem Flur vorbeigegangen und hatte die Hand zum Gruß gehoben, die anderen drei waren ins Zimmer gekommen und hatten Inez und Birger die Hand geschüttelt, waren dann aber wieder gegangen, ohne sich zu unterhalten. Einer von ihnen hatte kein Hemd an, nur ein kleines Frotteehandtuch, das er sich um den Hals geworfen hatte. Er hieß Peo. Zumindest glaubte sie es. Er hatte ihr nicht die Hand gegeben, sie nur zu einem angedeuteten Winken in ihre Richtung erhoben, als er durch die Tür hinaushuschte. Sie hatte zurückgewinkt und war sich dabei unglaublich dumm vorgekommen.
Hinterher waren sie hinausgegangen, um sich das Konzert anzuhören. Sie hatten ganz vorn gesessen und sich nicht einen Millimeter von ihrem Platz bewegt, als die Mädchen anfingen, zur Bühne zu stürmen. Inez und Birger hatten einander nur mit hochgezogenen Augenbrauen angeschaut, eine Miene, die wohl als ironisch bezeichnet werden konnte. Susanne selbst hatte die Lehnen ihres Stuhls fest umklammert und versucht sich festzuhalten, sie hatte wie in einem kleinen Boot im Sturm gesessen, bemüht, nicht ins Wasser zu fallen, während ein älteres Mädchen buchstäblich über sie hinweggeklettert war. Sie konnte
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