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Eisberg

Titel: Eisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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hellen Dunst am Horizont. Abgesehen von ein paar vereinzelten Buckeln, die sich hier und dort erhoben, war die Landschaft flach wie ein Brett. Pitt zögerte nicht mehr länger. Er setzte sich in Bewegung und marschierte über die Tundra auf die Hügelkette zu. Doch bald schrak er plötzlich zusammen. Er war verloren. Die Sonne war rasch hinter dem Horizont verschwunden. Es gab keine Sterne, die ihn hätten leiten können. Norden, Süden, Westen und Osten – das waren Worte ohne Bedeutung für ihn; er hatte keine Ahnung, in welcher Himmelsrichtung er sich bewegte. Und über die Ebene kroch der Nebel auf ihn zu.
    Pitt setzte sich und überdachte seine Situation. Der Schluß, daß er sich irgendwo mitten im unbesiedelten Teil Islands befand, lag nahe. Er versuchte krampfhaft, sich an das Wenige zu erinnern, was er in der Schule über das Paradies des Nordatlantiks gelernt hatte, und sich die Karten der Insel ins Gedächtnis zurückzurufen, die er an Bord der
Catawaba
studiert hatte.
    Die Nord-Süd-Ausdehnung der Insel beträgt etwa dreihundert Kilometer, erinnerte er sich, die Ost-West-Ausdehnung beinahe vierhundertfünfzig. Da also der Abstand zwischen der Nord- und der Südküste kürzer war, kamen die beiden anderen Himmelsrichtungen für ihn gar nicht erst in Betracht. Ging er nach Süden, stieß er aller Wahrscheinlichkeit nach auf das Eis des Vatnajökull, der nicht nur Islands, sondern auch Europas größter Gletscher ist, eine riesige gefrorene Wand, die ihm jedes Weiterkommen unmöglich machte.
    Also blieb ihm nur der Weg nach Norden. Die Logik, die hinter dieser Entscheidung steckte, war einfach. Aber ihn bestimmte noch eine andere Überlegung: auf diese Weise überlistete er die Computer. Er marschierte in jene Richtung, mit der man am wenigsten rechnen konnte.
    Denn normalerweise hätte sich jeder in seiner Situation nach Süden gewandt, in Richtung Reykjavik. Das hatte man bei den Computer-Planspielen zweifellos erwartet, hoffte er.
    Wovon hätte man sonst ausgehen sollen, wenn nicht von den Reaktionen normaler Durchschnittsmenschen?
    Er wußte also, was er zu tun hatte. Aber
es
gab noch Schwierigkeiten genug: Wo zum Beispiel war Norden? Und selbst wenn er das sicher gewußt hätte, hätte er noch keine Hilfsmittel zur Hand gehabt, um den direkten Weg zu finden. Die bekannte Tatsache, daß Rechtshänder in der Regel in einem großen Bogen nach rechts gehen, wenn sie sich nicht in der Landschaft orientieren können, kam Pitt wieder in den Sinn.
    Das Heulen eines Düsenjets schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Er blickte hoch, schützte mit der Hand seine Augen vor dem strahlend blauen Himmel und sah eine Linienmaschine, die friedlich über ihn hinwegglitt und einen langen weißen Kondensstreifen hinter sich herzog. Wer weiß, wo sie hinflog: Nach Südwesten Richtung Reykjavik? Nach Osten auf Norwegen zu? Oder nach Südosten in Richtung London? Solange er keinen Kompaß hatte, konnte er das unmöglich feststellen.
    Ein Kompaß – das Wort ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Ein Kompaß, ein einfaches Stück magnetisierten Eisens, das auf einer Spindel saß und in einer Mischung aus Glyzerin und Wasser schwamm. Tief in irgendeinem Winkel seines Gehirns leuchtete plötzlich ein Licht auf. Vor vielen Jahren hatte er einmal in einem viertägigen Pfadfinder-Zeltlager gelernt, wie man sich in einer unbekannten Gegend orientieren kann.
    Es dauerte beinahe zehn Minuten, bis er eine kleine Wasserpfütze in einer seichten Vertiefung neben einer kleinen Kuppe fand. So rasch es seine aufgerissenen Finger gestatteten, löste Pitt seine braune Schärpe und zog die Nadel heraus, von der die Schärpe zusammengehalten wurde. Er wickelte ein Ende des langen Seidentuchs um sein Knie und begann, die Nadel, den Kopf voran, immer in derselben Richtung über die Seide zu reiben. Die Reibungselektrizität würde das kleine Stück Metall magnetisieren.
    Die Kälte nahm zu; sie durchdrang seine naßgeschwitzte Kleidung und ließ seinen Körper erschauern. Die Nadel entglitt ihm, und er brauchte kostbare Zeit, bis er sie in dem Tundramoos wiederfand. Er rieb sie von neuem, wobei er sorgfältig achtgab, daß sie ihm nicht abermals entschlüpfte.
    Als er sie genügend magnetisiert glaubte, fuhr er sich damit ein paarmal übers Gesicht, um sie einzufetten. Dann zog er zwei lose Fäden aus dem Futter seiner roten Jacke und legte sie in zwei lockeren Schleifen um die Nadel. Jetzt begann der schwierigste Teil des Unternehmens.
    Pitt hob

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