Eisberg
Pitt?«
»Ja, Admiral?«
»Wir haben hier ein Problem. Alle Hubschrauber haben Startverbot. Die Sanitäter müssen aus einer Transportmaschine abspringen.«
»Völlig unmöglich. Es müssen unbedingt Hubschrauber benutzt werden. Die Überlebenden müssen durch die Luft abtransportiert werden. Und es ist äußerst wichtig, Admiral, daß ich die Suche leite. Ich wiederhole – ich muß die Suche leiten. Die Absturzstelle ist aus der Luft nicht zu erkennen. Ihre Rettungsmannschaft könnte tagelang unterwegs sein und würde nichts finden.«
Pitt ahnte, wie Sandeckers Miene sich verfinsterte. Es dauerte lange, bis der Admiral sich wieder meldete und so trübe und niedergeschlagen, als ob er eine Totenrede hielte – von der er ja tatsächlich auch nicht sehr weit entfernt war – sagte: »Ich muß Ihre Bitte abschlagen. Es gibt sieben Hubschrauber auf der Insel. Drei gehören der Air Force, vier dem Icelandic Search and Rescue Department. Alle haben wegen notwendiger Reparaturarbeiten Startverbot.« Sandecker machte eine Pause, dann fuhr er langsam fort: »Es scheint unwahrscheinlich, aber die örtlichen Behörden vermuten einen Sabotageakt.«
»Jesus Christus!« murmelte Pitt, und das Blut gefror ihm. Jede nur denkbare Möglichkeit das Wort kam ihm wieder und wieder in den Sinn. Kellys Computer hatten eine unüberwindliche Mauer gegen jede Rettung aufgebaut, und Rondheims kaltblütig arbeitende Mörderbande hatte die Anweisungen des Elektronengehirns Punkt für Punkt getreulich ausgeführt.
»Gibt es bei Ihnen einen genügend großen Landeplatz, daß eine Maschine Sie an Bord nehmen könnte?« fragte Sandecker gespannt. »Wenn das der Fall ist, können Sie den Einsatz von Rettungsfallschirmspringern leiten.«
»Eine kleine Maschine könnte es schaffen«, antwortete Pitt. »Es gibt hier eine Wiese, so groß wie ein Fußballfeld.«
Draußen waren inzwischen, von Pitt unbemerkt, große dunkle Haufenwolken aufgezogen.
Schon bald war die orangefarbene Sonne ganz von ihnen verdeckt. Ein kühler Wind kam auf, der das Gras auf den Wiesen und den Hügeln zu Boden drückte. Pitt spürte Andurssons Hand auf seiner Schulter. Erst jetzt fiel ihm auf, wie dunkel es im Zimmer geworden war.
»Ein Sturm aus Norden«, sagte Andursson ernst. »In spätestens einer Stunde schneit es.«
Pitt erhob sich so ruckartig, daß sein Stuhl umkippte, und lief eilig zu dem kleinen Fenster. Er starrte hinaus, wollte seinen Augen nicht trauen und schlug verzweifelt mit der Faust gegen die Wand. »O Gott, nein!« flüsterte er. »Es wäre glatter Selbstmord, wenn die Sanitäter in einem Schneesturm abspringen wollten.«
»Bei solchem Sturm könnte auch keine Maschine starten oder landen«, sagte Andursson. »Ich habe schon viele Nordstürme aufziehen sehen und weiß, wie schlimm sie sind. Der scheint besonders verheerend zu werden.«
Pitt wankte zum Telephon zurück und ließ sich in den Stuhl fallen. Er bedeckte sein zerschundenes, geschwollenes Gesicht mit den Händen und murmelte still: »Gott stehe ihnen bei! Gott stehe ihnen jetzt allen bei! Es ist hoffnungslos, hoffnungslos.«
Sandecker meldete sich, aber Pitt hörte es nicht. »Ihre genaue Position, Major. Können Sie mir Ihre genaue Position geben?«
Andursson griff Pitt über die Schulter und nahm den Hörer zur Hand. »Eine Minute, Admiral Sandecker. Halten Sie sich bereit.« Er ergriff Pitts Rechte und drückte sie fest. »Major Pitt, Sie dürfen sich nicht gehen lassen.« Er sah ihn mitfühlend an. »Der Knoten des Todes, sei er auch noch so fest geknüpft, kann von dem gelöst werden, der das freie Ende in der Hand hält.«
Pitt sah verwundert zu Andursson auf und stöhnte: »Der zweite Dichter, den ich in diesen Tagen kennenlerne …«
Andursson nickte nur schüchtern.
»Ich scheine meine poetische Woche zu haben«, seufzte Pitt. Dann gab er sich einen Ruck. Er hatte schon viel zuviel Zeit mit unnötigem Geschwätz und nutzlosem Jammern verschwendet; die Zeit wurde immer knapper. Er brauchte einen Plan, einen guten Einfall, um den Menschen zu helfen, die ihm vertrauten. Auch Computer machen Fehler, sagte er sich. Diese kalten elektronischen Ungetüme können sich auch irren. Vor allem: in ihnen ist kein Platz für Gefühle, kein Platz für Sehnsüchte. »Sehnsucht«, sagte er plötzlich laut. Er ließ das Wort über die Zunge rollen und schmeckte jede Silbe ab. Er wiederholte es wenigstens dreimal.
Andursson sah ihn befremdet an. »Ich verstehe nicht.«
»Sie werden
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