Eisberg
mir eine unmögliche Vorstellung.« Sandecker durchquerte die Kombüse und goß sich eine neue Tasse Kaffee ein. »Er ist mir äußerst unsympathisch. Wäre er in irgendeiner Form in Fyries und Hunnewells Tod verstrickt, könnten wir uns auf den Hundesohn einschießen. Das wäre mir nicht unlieb.«
»Kein einfaches Unternehmen. Bei seiner Stellung ist er fast unangreifbar.«
»Wenn Sie mich fragen«, schaltete sich Tidi ein, »dann sind Sie beide nur auf Rondheim eifersüchtig, weil Miss Fyrie ihm den Vorzug gibt.«
Pitt lachte. »Sie unterstellen uns Eifersucht?«
Sandecker grinste sie an. »Da zeigt sich wieder einmal, was Sie uns zutrauen, Tidi.«
»Ich rede nicht aus reiner Bosheit so. Ich mag Kirsti.«
»Wahrscheinlich mögen Sie Oskar Rondheim genauso«, sagte Pitt.
»Nein, selbst wenn er der General der Heilsarmee wäre, könnte er mir gestohlen bleiben«, entgegnete sie. »Aber man muß die Dinge klar sehen. Kirsti gehört ihm, und Fyrie Ltd. hat er in der Tasche.«
»Warum?« wollte Pitt wissen. »Wie kann Kirsti ihn lieben, wenn sie Angst vor ihm hat?«
Tidi schüttelte ratlos den Kopf. »Ich weiß auch nicht. Ich sehe aber immer noch die Qual in ihren Augen, als er sie anfaßte.«
»Vielleicht ist sie eine Masochistin, und Rondheim ist ein Sadist«, meinte Sandecker.
»Wenn Rondheim diese entsetzlichen Morde auf dem Gewissen hat, müssen Sie alles, was Sie wissen, den zuständigen Behörden melden«, sagte Tidi eindringlich. »Wenn Sie die Dinge zu weit treiben, werden auch Sie beide vielleicht noch umgebracht.«
Pitt machte ein trauriges Gesicht. »Es ist eine Schande, Admiral. Ihre eigene Sekretärin hat keine hohe Meinung von den Fähigkeiten ihrer beiden Lieblinge.« Er wandte sich um und sah Tidi grinsend an. »Ist Ihnen klar, was Sie uns damit antun?« Im nächsten Augenblick stutzte er. Das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht. Er hob die Hand, bedeutete damit den anderen, still zu sein, und ging zur Tür des Ruderhauses, um angespannt zu lauschen. Das Geräusch war sehr schwach, aber deutlich zu vernehmen: Durch den Nebel klang ein gleichmäßiges Brummen, das Geräusch eines Motors, der mit sehr hoher Umdrehung lief.
11. Kapitel
»Hören Sie es, Admiral?«
»Ich höre es.« Sandecker stand neben ihm. »Es ist etwa fünf Kilometer entfernt und kommt rasch näher.« Er konzentrierte sich. »Es ist genau vor uns.«
Pitt nickte. »Das Geräusch kommt direkt auf uns zu.« Er starrte in den Nebel. »Es klingt beinahe wie ein Flugzeugtriebwerk. Sie müssen Radar haben. Kein Mensch, der noch bei Trost ist, würde sonst bei diesem Wetter volle Kraft voraus fahren.«
»Demnach wissen sie, daß wir hier sind«, flüsterte Tidi, als ob jemand hinter der Reling lauschte.
»Ja, sie wissen, daß wir hier sind«, stimmte ihr Pitt zu. »Wenn ich mich nicht sehr täusche, kommen sie, um uns zu überprüfen. Ein zufällig vorbeifahrendes Schiff würde einen weiten Bogen um uns machen, sobald wir auf ihrem Bildschirm erschienen. Aber diese Leute da suchen Streit. Ich schlage vor, wir schlagen ihnen ein Schnippchen.«
»Wie drei Kaninchen, die es mit einem Rudel Wölfe aufnehmen wollen«, meinte Sandecker. »Sie sind uns zahlenmäßig sicher zehnmal überlegen. Und sie sind zweifellos bis an die Zähne bewaffnet. Unser einziger Trumpf sind die Sterlings. Wenn wir erst in Fahrt sind, haben unsere Besucher dieselbe Chance, uns einzuholen, wie ein Cockerspaniel, der einem Windhund nachsetzt.«
»Bauen Sie nicht allzusehr auf die Sterlings, Admiral. Wenn sie wissen, daß wir hier sind, dann wissen sie auch, was für ein Boot wir haben und wie schnell dieses ist. Sie wissen, daß sie, um uns aufzubringen, ein Fahrzeug brauchen, das der
Grimsi
überlegen ist. Und ich habe das dumpfe Gefühl, sie haben ein solches.«
»Ein Tragflächenboot?« fragte Sandecker bestürzt.
»Genau«, antwortete Pitt. »Das bedeutet, daß ihre Spitzengeschwindigkeit irgendwo zwischen 55 und 60 Knoten liegt.«
»Das ist nicht gut«, meinte Sandecker.
»Aber auch nicht schlecht«, entgegnete Pitt. »Wir haben wenigstens zwei Vorteile auf unserer Seite.« Er erklärte rasch seinen Plan. Tidi, die auf einer Bank im Ruderhaus saß, fühlte, wie ihr Körper erstarrte. Ihr Gesicht unter dem Makeup wurde totenblaß. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie begann zu zittern und brachte schließlich mit angsterfüllter Stimme hervor: »Das … ist doch nicht … Ihr Ernst!«
»Selbstverständlich ist das mein Ernst!«
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