Eisberg
hatte – hatten die vier Gefäße wenig gemeinsam.
Das Tragflächenboot war da. Pitt drehte sich zum Ruderhaus um und schrie: »Jetzt!« Dann zündete er mit seinem Feuerzeug die Lunte des Einweckglases an und stützte sich gegen den plötzlichen Rückstoß ab, der ihn beim Start nach hinten schleudern würde.
Sandecker drückte auf den Anlasser. Die 420 PS starken Sterlings würgten einmal, zweimal, dann sprangen sie heulend an. Er riß das Steuer hart nach Steuerbord und gab Vollgas. Die
Grimsi
flog wie ein Rennpferd, dem man die Sporen gibt, über das Wasser. Der Admiral hielt mit grimmigem Gesicht die
Grimsi
auf Kurs und erwartete halb, im nächsten Augenblick das Tragflächenboot zu rammen. Als ihm eine Speiche des Steuerrads davonflog und gegen den Kompaß prallte, wurde ihm schlagartig bewußt, daß Kugeln durch das Ruderhaus peitschten.
Er konnte immer noch nichts sehen. Aber er wußte, daß die Mannschaft des Tragflächenboots blind in den Nebel schoß und sich nur auf die Anzeige des Radars verließ.
Pitts Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sein Blick wechselte von der Nebelwand vor dem Bug zu dem Glas in seiner Hand. Die Lunte brannte schon gefährlich nahe dem sich zuspitzenden Flaschenhals. Ihm blieben höchstens noch fünf Sekunden, um das Glas über Bord zu werfen. Er begann zu zählen. Fünf, vier, drei. Er spannte seine Armmuskeln. Zwei.
Dann schoß ihnen das Tragflächenboot aus dem Nebel entgegen und raste keine drei Meter entfernt an der
Grimsi
vorbei. Pitt schleuderte das Glas hinüber.
Der nächste Augenblick grub sich Pitts Gedächtnis bis ans Ende seines Lebens ein. Das entsetzte Gesicht eines großen blonden Mannes in einer Lederjacke, der sich an der Brücke festhielt und schockiert und zugleich fasziniert das todbringende Ding durch die neblige Luft auf sich zufliegen sah. Dann explodierte das Glas neben ihm, und er verschwand in einer sengenden, hellen Flammenwand. Pitt sah nichts weiter. Die beiden Boote waren aneinander vorbeigerast, und das Tragflächenboot war verschwunden.
Pitt blieb keine Zeit zum Nachdenken. Er zündete die Lunte der nächsten Gasflasche an, während Sandecker hart Backbord steuerte. Das Blatt hatte sich gewendet. Das Tragflächenboot war langsamer geworden, und man konnte ein flackerndes gelblichrotes Leuchten durch den grauen Nebel erkennen. Der Admiral hielt genau darauf zu. Er stand so aufrecht da, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Eins war klar: jemand, der vor einer halben Minute auf die
Grimsi
geschossen hatte, würde nicht auf einem brennenden Deck stehenbleiben, in der Hoffnung, einen alten Fischkutter zu durchsieben.
»Geben Sie ihnen noch eins drauf!« schrie Sandecker Pitt durch das zerschossene Vorderfenster des Ruderhauses zu. »Lassen Sie die verdammten Kerle einmal ihre eigene Medizin schlucken!«
Pitt antwortete nicht. Er hatte kaum Zeit, den brennenden Kanister fortzuschleudern, als Sandecker schon wieder das Steuer herumriß und zu einem dritten Sturmangriff auf das Tragflächenboot ansetzte. Noch zweimal wiederholten sie das Manöver, und noch zweimal warf Pitt seine verbeulten Kanister, die Feuer und Verwüstung spien, hinüber. Dann war seine behelfsmäßige Artillerie aufgebraucht.
Nach kurzem erhielt die
Grimsi
einen fürchterlichen Schlag. Eine gewaltige Druckwelle fegte alles, was nicht niet- und nagelfest war, über Bord. Das Tragflächenboot war donnernd explodiert und stand vom Bug bis zum Heck in lodernden Flammen.
Das Echo war von der Küste zurückgekommen und bereits wieder verklungen, ehe Pitt, den es auch umgerissen hatte, sich zitternd auf seine Füße stellte und ungläubig auf das Tragflächenboot starrte. Was einst ein herrlich konstruiertes Schiff gewesen war, war nun ein einziges Trümmerfeld und brannte bis zur Wasserlinie hinunter. Er schwankte zur Tür des Ruderhauses – die Erschütterung hatte vorübergehend seinen Gleichgewichtssinn beeinträchtigt –, als Sandecker die
Grimsi
abbremste. Sie glitten langsam an dem glühenden Wrack vorüber.
»Sehen Sie irgendwelche Überlebenden?« fragte Sandecker; er blutete aus einer kleinen Schnittwunde im Gesicht.
Pitt schüttelte den Kopf. »Mit denen ist's aus«, sagte er gleichmütig. »Selbst wenn es einer von der Besatzung geschafft haben sollte, ins Wasser zu springen, er wäre ertrunken, ehe wir ihn hätten auffischen können.«
Tidi kam ins Ruderhaus. Sie preßte eine Hand auf eine rot-blaue Beule auf ihrer Stirn und schaute völlig
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