Eisberg
geholfen.«
»Wenn ich das nur auch sagen könnte!« Cashman seufzte sichtlich erleichtert auf. »Aber das ist schon das zweitemal innerhalb der letzten zehn Minuten, daß Sie mich zu Tode erschreckt haben. Wozu brauchen Sie meine Staffel?«
»Damit ich weiß, wohin ich eine Kiste Whisky schicken kann. Ich nehme an, Sie mögen einen guten Whisky?«
Cashmans Gesicht drückte verständnisloses Staunen aus. »Bei Gott! Sie sind wirklich ein sonderbarer Mensch!«
»Möglich.« Pitt überlegte bereits, wie er eine Kiste Whisky auf seiner Spesenrechnung unterbringen sollte. Ach was, ich zapfe Sandecker an, dachte er. Diese Investition zahlt sich aus. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er griff in die Tasche. »Übrigens, haben Sie das da schon einmal gesehen?« Er reichte Cashman den Schraubenzieher, den er in der Loreley gefunden hatte.
»Na so etwas! Ob Sie es glauben oder nicht, Major, dieser Schraubenzieher da gehört mir. Ich habe ihn über den Katalog eines Werkzeugfachgeschäftes in Chicago gekauft. Es gibt keinen zweiten dieser Art auf Island. Wie sind Sie zu ihm gekommen?«
»Ich habe ihn in dem Flugzeugwrack gefunden.«
»Ach, so ist er mir also abhanden gekommen«, meinte Cashman wütend. »Diese dreckigen Schweine haben ihn mir geklaut. Ich hätte wissen müssen, daß sie Lumpen sind. Wenn ihre Verhandlung ist, sagen Sie mir bitte Bescheid. Ich würde liebend gern gegen sie aussagen.«
»Sie können Ihre Freizeit besser verwenden. Ihre Freunde erscheinen nicht vor Gericht. Sie sind hinüber.«
»Sie sind umgekommen?« Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.
Pitt nickte.
»Ich könnte jetzt Sprüche klopfen wie: Ehrlich währt am längsten; aber warum sollte ich mir darüber den Kopf zerbrechen! Es kam wohl, wie es kommen mußte. Das ist alles.«
»Für einen Hydraulikspezialisten sind Sie ein glänzender Philosoph, Sam.« Pitt schüttelte Cashman noch einmal die Hand. »Auf Wiedersehen und vielen Dank. Sie waren mir eine große Hilfe.«
»Ich hab's gern getan, Major. Hier, behalten Sie den Schraubenzieher als ein Andenken. Ich habe inzwischen einen neuen bestellt.«
Pitt steckte den Schraubenzieher in seine Tasche, wandte sich um und verließ das Büro.
Pitt machte es sich in dem Taxi bequem und steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen, ohne sie anzuzünden. Mit der Seriennummer des geheimnisvollen schwarzen Düsenjägers hatte er das Ende des Fadens in der Hand. Er hatte nicht ernstlich damit gerechnet, daß er Erfolg haben würde. Er starrte aus dem Fenster, ohne die vorbeifliegenden grünen Wiesen richtig wahrzunehmen. Seine Gedanken kreisten allein um die Frage, ob die Spur direkt zu Rondheim führen würde. Er grübelte immer noch über diese Frage nach, als er plötzlich den undeutlichen Eindruck hatte, daß die Landschaft anders aussah als zuvor. Auf den Wiesen fehlten die Viehherden und die Ponys, und die hügelige Landschaft ging in eine wellige Tundra über. Er drehte sich um und schaute durch das andere Fenster. Das Meer war nicht mehr da, wo es hätte sein sollen; statt dessen lag es jetzt in seinem Rücken. Langsam verschwand es hinter der flach ansteigenden Straße. Er beugte sich zu seinem Fahrer vor.
»Haben Sie ein Rendezvous mit einem Bauernmädchen oder fahren Sie diese malerische Straße, um den Fahrpreis zu erhöhen?«
Der Fahrer trat auf die Bremse und hielt am Straßenrand. »Ich suche die Abgeschiedenheit, Major – das wäre vielleicht der richtige Ausdruck. Nur ein kleiner Umweg, damit wir uns in Ruhe unterhalten können …«
Die Stimme des Fahrers erstarb, dies aus gutem Grund. Pitt hatte ihm den Schraubenzieher einen Zentimeter tief in den Gehörgang seines Ohres gebohrt.
»Lassen Sie Ihre Hände am Steuer und bringen Sie den Wagen zurück auf die Straße nach Reykjavik«, befahl Pitt, »oder ich schraube Ihr rechtes Ohr am linken fest.«
Pitt behielt das Gesicht des Fahrers im Rückspiegel scharf im Blick. Sollte der Kerl den plötzlichen Versuch unternehmen, sich zu verteidigen, würde sich das zuerst in seinen blauen Augen ankündigen. Die knabenhaften Gesichtszüge blieben jedoch völlig ausdruckslos, nicht einmal Furcht flackerte in ihnen auf. Dann begann das Gesicht im Rückspiegel langsam, sehr langsam zu lächeln, um endlich in ein befreites Lachen auszubrechen. »Sie sind sehr mißtrauisch, Major Pitt.«
»Wenn man auf Sie in den letzten drei Tagen drei Mordanschläge verübt hätte, würden Sie auch einiges Mißtrauen entwickeln.«
Das
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