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Eisberg

Titel: Eisberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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Kirsti kletterte auf das Podium, und zwei mattrosa Scheinwerfer gaben ihr das Aussehen einer griechischen Marmorgöttin auf ihrem Sockel im Louvre. Pitt zog sie in Gedanken aus und versuchte sich vorzustellen, was für ein ehrfurchtgebietendes Bild sie ohne Hüllen darbieten würde. Er musterte Tidi von der Seite. Ihre hingerissene Miene verleitete ihn zu der Überlegung, ob sie sich wohl den gleichen Gedanken hingab wie er. Er tastete nach ihrer Hand, fand sie und drückte sie innig. Tidi war aber so sehr von Kirstis Anblick gefesselt, daß sie Pitts Händedruck nicht mehr wahrzunehmen schien. Sie erwiderte ihn jedenfalls nicht.
    Als Kirsti Fyrie bewegungslos dastand und alle Blicke des Publikums, das ihr hinter dem Scheinwerferlicht verborgen blieb, auf sich zog, lächelte sie mit all der Selbstsicherheit, die nur eine Frau besitzt, die sich ihrer Reize voll bewußt ist.
    Sie neigte ihren Kopf zu den schattenhaften Gestalten in der Dunkelheit hinab. »Meine Damen und Herren«, begann sie, »sehr verehrte Gäste. Heute abend wird unser Gastgeber, Oskar Rondheim, für Sie aus seinen neuesten Werken lesen. Er liest in unserer Muttersprache. Danach trägt er noch einige von ihm ausgewählte Verse des hervorragenden zeitgenössischen irischen Dichters Sean Magee vor.«
    Pitt beugte sich zu Tidi hinüber und flüsterte ihr zu: »Ich hätte mindestens noch weitere zehn Gläser von dem Punsch trinken sollen, um das durchzuhalten.« Er konnte Tidis Gesicht nicht sehen. Er brauchte es auch gar nicht zu sehen – er fühlte, wie ihm ihr Ellbogen kräftig in die Rippen stieß. Als er sich wieder dem Podium zuwandte, war Kirsti bereits verschwunden, und Rondheim hatte ihren Platz eingenommen.
    Man hätte annehmen sollen, Pitt litt während der folgenden anderthalb Stunden Höllenqualen.
    Aber weit gefehlt. Fünf Minuten nachdem Rondheim mit monotoner Stimme seine Werke vorzutragen begonnen hatte, schlief Pitt selig ein, glücklich über die Tatsache, daß in der Dunkelheit niemand sein mangelndes Verständnis für Poesie bemerken würde.
    Kaum hatte ihn die erste Welle des Schlafs davongespült, fand sich Pitt zum hundertsten Mal an der Küste wieder und wiegte Hunnewells Kopf im Arm. Wieder und wieder beobachtete er hilflos, wie Hunnewell in seine Augen starrte und zu sprechen versuchte, wie er sich verzweifelt bemühte, sich verständlich zu machen. Dann glitt, kaum daß Hunnewell die drei scheinbar unsinnigen Worte hervorgebracht hatte, ein Schatten über seine müden, alten Gesichtszüge, und er war tot. Das eigentlich Seltsame an diesem Traum war nicht, daß Pitt ihn immer wieder träumte, sondern daß es niemals ganz derselbe Traum war. Hunnewell starb nämlich jedesmal anders. Einmal traten zum Beispiel die Kinder genauso auf, wie sie es auch in Wirklichkeit getan hatten. Ein andermal fehlten sie völlig. Einmal überschlug sich der Düsenjäger und tauchte mit dem Flügel zuerst ins Wasser, als wollte er sich verbeugen. Selbst Sandecker war bisweilen vorhanden, stand über Pitt und Hunnewell gebeugt und schüttelte traurig den Kopf. Das Wetter, der Verlauf der Küste, die Farbe der See – sie unterschieden sich alle von Mal zu Mal. Nur eines änderte sich nie – Hunnewells letzte Worte.
    Pitt wachte vom Beifall des Publikums auf. Er starrte ins Leere und versuchte, wieder zu sich zu kommen. Die Lampen erstrahlten im alten Glanz, und er brachte einige Zeit damit zu, seine Augen zusammenzukneifen und sie an die Helligkeit zu gewöhnen.
    Rondheim stand immer noch auf dem Podium und genoß selbstgefällig den brausenden Applaus. Er hob die Hände und bat um Ruhe. »Wie die meisten von Ihnen wissen, gehört es zu meinen Lieblingsbeschäftigungen, Gedichte auswendig zu lernen. Bei aller Bescheidenheit darf ich sagen, daß ich mir inzwischen ein recht ansehnliches Repertoire erarbeitet habe. Deshalb schlage ich folgendes vor: Irgendwer aus dem Publikum soll mir eine Gedichtzeile nennen. Wenn ich die dazugehörige Strophe nicht zu Ende bringe, stifte ich 50.000 Dollar einer von Ihnen zu benennenden gemeinnützigen Einrichtung.« Er wartete, bis das gedämpfte, aufgeregte Stimmengewirr verklungen war. »Sollen wir anfangen? Wer möchte mein Gedächtnis als erster auf die Probe stellen?«
    Sir Eric Marks stand auf.
    „›Warnen der väterliche Freund und deine Mutter –‹ Versuch dich zur Einführung daran, Oskar.« Rondheim verbeugte sich leicht.
    »›Dich aber vor dem Leid, Das ein Verschwenden deiner Kräfte mit sich

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