Eisberg
bevölkerten den großen Salon und die Terrasse. Sie sprachen die unterschiedlichsten Sprachen. Die Sonne, die sich zuvor immer wieder hinter einer verirrten Wolke versteckt hatte, schien nun hell durch die Fenster, obwohl es bereits neun Uhr vorbei war. Am Ende des Salons unter einem großen Wappen mit dem roten Albatros standen Kirsti Fyrie und Oskar Rondheim und machten die Honneurs.
Kirsti war berauschend schön, in eine weiße, mit Goldborte gesäumte Seidentoga gekleidet und das Haar im griechischen Stil hochgesteckt. Rondheim, groß und mit Adleraugen das ganze Treiben beobachtend, stand wie ein Hüne neben ihr. Seine schmalen Lippen verzogen sich nur zu einem Lächeln, wenn es die Höflichkeit erforderte. Er begrüßte eben einige russische Gäste und führte sie zu einem langen Tisch, auf dem kunstvoll Berge von Kaviar und Lachs angerichtet waren und in dessen Mitte eine riesige Schale mit Punsch stand, als sich seine Augen mit einem Male unmerklich weiteten und das freundliche Lächeln auf seinen Lippen gefror. Kirsti erstarrte ebenso plötzlich, und das Murmeln der Gäste erstarb zu einer seltsamen Stille. Pitt kam mit der Eleganz eines Filmstars, dessen Können hauptsächlich in seinen glanzvollen Auftritten besteht, die Freitreppe heraufgetänzelt. Am Portal zum Salon hielt er an. Er griff nach einem Lorgnon, das ihm an einer goldenen Kette um den Hals hing, und musterte das konsternierte Publikum, das sprachlos auf ihn starrte. Niemand hätte ihm eigentlich einen Vorwurf machen können, selbst der Freiherr von Knigge nicht. Pitts Aufzug war eine Mischung aus der Hofkleidung im Zeitalter Ludwigs XI. und Gott weiß was. Die rote Jacke war mit einem Rüschenkragen und Rüschenmanschetten verziert, und seine gelben Reithosen aus Brokat verschwanden in roten Wildlederstiefeln. Um die Hüften trug er eine braune Seidenschärpe, deren Quasten in Kniehöhe endeten. Wenn es in Pitts Absicht lag, Aufsehen zu erregen, dann war ihm das voll und ganz gelungen. Endlich stolzierte er auf Kirsti und Rondheim zu. »Guten Abend, Miss Fyrie … Mr. Rondheim. Dank für die Einladung. Ich liebe Dichterlesungen. Selbst für alles Gold der Welt möchte ich keine versäumen.«
Kirsti sah Pitt fasziniert und mit leicht geöffnetem Mund an. Mit belegter Stimme erwiderte sie: »Oskar und ich freuen uns, daß es Ihnen möglich war zu kommen.«
»Ja, es ist schön, Sie wiederzusehen, Major …« Weitere Worte blieben Rondheim in der Kehle stecken, als er den bereits vergessenen Waschlappen-Händedruck von Pitt wieder spürte.
Um das peinliche Schweigen zu überbrücken, fragte Kirsti rasch: »Sie tragen heute abend nicht Ihre Uniform?«
Pitt ließ das Lorgnon lässig an seiner Kette hin und her schwingen. »Um Himmels willen, nein. Eine Uniform wirkt immer so düster. Ich fand, es wäre unterhaltsamer, heute abend in Zivilkleidung zu erscheinen. So erkennt mich wenigstens niemand.«
Zu Pitts größter Freude mußte sich Rondheim sichtlich zu einem höflichen Lächeln zwingen, als er sagte: »Wir hatten gehofft, Admiral Sandecker und Miss Royal würden ebenfalls erscheinen?«
»Miss Royal muß jeden Augenblick hier sein«, entgegnete Pitt und blickte sich durch sein Stielglas ungeniert im Raum um. »Was mit dem Admiral ist, weiß ich nicht.«
Keine zwei Minuten später erschien Tidi. Pitt belegte sie sofort mit Beschlag. »Ich glaube, wir sollten uns unters Volk mischen«, meinte er, nahm ihren Arm und entführte sie in Richtung Büffet.
Er reichte ihr ein Glas Punsch, und sie taten sich an den aufgebauten Köstlichkeiten gütlich.
Pitt mußte sich anstrengen, nicht zu gähnen, als er und Tidi von einer Gruppe zur anderen wandelten. Als einem erfahrenen Salonlöwen fiel es Pitt normalerweise nicht schwer, Konversation zu treiben, doch heute abend schien ihm der Absprung nicht gelingen zu wollen.
Über dem ganzen Fest lag eine sonderbare Stimmung. Er hätte sie nicht genau beschreiben können, doch irgend etwas war ungewohnt. Alle Arten Partygäste waren vertreten – die Gelangweilten, die Betrunkenen, die Snobs und die Geschwätzigen. Jeder, mit dem Tidi und Pitt ein Gespräch anknüpften, war nett und höflich zu ihnen. Niemand erging sich in antiamerikanischen Äußerungen – sonst ein beliebtes Gesprächsthema, wenn Ausländer zugegen waren. Man hätte das Ganze für eine völlig normale, durchaus nicht aus dem Rahmen fallende Veranstaltung halten können. Dann aber kam Pitt plötzlich dahinter. Er neigte den
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