Eisberg
Ferse hob und sie Pitt in die Leiste stieß. Pitts ganzer Körper krampfte sich zusammen; die unerträglichen Schmerzen ließen ihn aufstöhnen.
Rondheim spie ihn an. »Aufstehen, habe ich gesagt!«
»Ich … ich kann nicht.«
Daraufhin beugte sich Rondheim herunter und gab Pitt mit einem Shuto-Schlag in den Nacken den Rest. Dieses Mal gab es kein Sich-Wehren und keine Tricks: Pitt wurde es wirklich schwarz vor den Augen. »Macht ihn wach!« kreischte Rondheim irre. »Ich möchte ihn stehend erledigen.«
Die Wächter starrten ihn mißbilligend an; sogar sie begann Rondheims blutiges Spiel abzustoßen. Doch es blieb ihnen keine Wahl: sie mußten Pitt wie einen zu Boden gegangenen Boxer bearbeiten, um ihn für die nächste Runde wieder fit zu machen. Endlich deuteten ein paar Lebenszeichen darauf hin, daß Pitt langsam wieder zu sich kam. Man brauchte kein Arzt zu sein, um festzustellen, daß Pitt ohne Hilfe keinesfalls mehr zu stehen vermochte. Also zerrten die beiden Gorillas Pitt in die Höhe; er hing wie ein nasser Sack zwischen ihnen.
Rondheim ließ ein Trommelfeuer von Schlägen auf den wehrlosen, zerschundenen Körper niederprasseln, bis sein Gi völlig von Schweiß und Blut durchtränkt war.
In diesen qualvollen Augenblicken zwischen Licht und Dunkelheit verlor Pitt die Kontrolle über seine Sinne; selbst der Schmerz wurde nur noch zu einem einzigen, mächtigen, dumpfen Pochen. Gott sei Dank habe ich soviel Cognac getrunken, fuhr es ihm durch den Kopf. Er hätte nie so lange an sich halten und Rondheims ganze Brutalitäten ertragen können, ohne zurückzuschlagen, wenn ihn der Alkohol nicht betäubt hätte. Langsam entglitt jetzt auch sein Verstand seiner Herrschaft. Er verlor den Bezug zur Wirklichkeit, und das Furchtbarste war, daß er nichts dagegen tun konnte.
Rondheim versetzte ihm noch einen besonders heimtückischen und genau gezielten Schlag in die Magengrube. Als Pitt zum sechstenmal das Bewußtsein verlor, die Wächter ihn losließen und sein schlaffer Körper auf die Matte fiel, erlosch langsam auch der sadistisch wollüstige Ausdruck auf Rondheims Gesicht. Mit leerem Blick starrte er auf seine geschwollenen, blutigen Knöchel, und er keuchte vor Anstrengung. Er kniete sich hin, packte Pitt an den Haaren, drehte seinen Kopf so, daß die Kehle bloßlag, und dann hob er seine rechte Hand, um Pitt den letzten Schlag zu versetzen, den sogenannten
coup de grâce,
einen tödlichen Judo-Schlag, der Pitts Kopf nach hinten schleudern und ihm das Genick brechen würde.
»Nein!«
Rondheim zögerte und drehte sich um, seine Hand schwebte drohend über Pitts Kehle. Kirsti Fyrie stand in der Tür. Furcht und Entsetzen malten sich auf ihren Zügen. »Nein«, wiederholte sie, »bitte … nein! Das kannst du nicht machen!«
Rondheim hielt seine Hand immer noch erhoben. »Bedeutet er dir etwas?«
»Nichts. Aber er ist ein Mensch und verdient es, wie ein Mensch behandelt zu werden. Du bist grausam und gefühllos, Oskar. Eigenschaften, die einem Mann nicht unbedingt schlecht anstehen. Aber sie sollten mit Mut gepaart sein. Einen wehrlosen, halbtoten Mann weiter zu schlagen ist kaum besser, als ein Kind zu mißhandeln. Dazu gehört kein Mut. Du enttäuschst mich.«
Rondheims Hand sank herab. Er stand auf, schwankend vor Erschöpfung, und stolperte auf Kirsti zu. Er riß ihr die Kleider vom Oberkörper und versetzte ihr ein paar heftige Hiebe auf die Brüste. »Du dreckige Nutte«, keuchte er. »Ich habe dich davor gewarnt, dich da einzumischen. Du hast kein Recht, mich oder irgend jemand anderen zu kritisieren. Du hast es einfach: du hockst auf deinem hübschen Hintern und schaust zu, wie ich die Dreckarbeit erledige.«
Sie hob die Hand, um ihn zu ohrfeigen; ihr schönes Gesicht war von Haß und Zorn verzerrt.
Er schnappte ihr Handgelenk und hielt es fest. Dann bog er es um, bis sie aufschrie.
Er stieß sie brutal durch die Tür und wandte sich dann an die beiden Gorillas. »Schmeißt dieses schwule Schwein zu den anderen«, befahl er. »Wenn er Glück hat und seine Augen noch einmal aufschlägt, hat er wenigstens das befriedigende Gefühl, unter Freunden zu sterben.«
17. Kapitel
Irgendwo in dem schwarzen Abgrund seiner Bewußtlosigkeit begann Pitt ein Licht zu sehen.
Es war kaum wahrzunehmen, so schwach wie die Birne einer Taschenlampe, deren Batterien schon fast erschöpft sind. Doch er kämpfte sich auf das Licht zu. Verzweifelt streckte er die Hände danach aus, er machte ein, zwei, viele
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