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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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Hintergrund der winterlichen Morgendämmerung.
    Es waren kaum acht Stunden seit Eingang des Notrufs vergangen. Auf Branders Schreibtisch stapelten sich bereits zahlreiche Protokolle. Er überflog die Aufzeichnungen der Anwohnerbefragungen. Die meisten waren ergebnislos. Man hatte weder etwas gehört noch gesehen. Erst als das Martinshorn der Einsatzwagen durch die stille Nacht schallte, hatte man auf die Straße gesehen. Niemandem war etwas Ungewöhnliches aufgefallen.
    Eine paar Informationen fand er in den Berichten der Kollegen, die mit dem Streifenwagen die Umgebung abgefahren waren. Ein Student, der von einem Besuch bei Freunden kam, berichtete von einem jungen Mann oder vielleicht auch einer jungen Frau, da war er sich nicht sicher, der oder die an ihm in der Steinlachallee auf Höhe des Finanzamtsgebäudes in Richtung Bahnhof vorbeigerannt wäre. Allerdings lagen zwischen Eingang des Notrufs und dieser Begegnung mindestens vierzig Minuten. Vermutlich war es jemand gewesen, der noch schnell die letzte Bahn erwischen wollte.
    Ein Rentner, der einen kotzenden Hund an der Leine mit sich führte – so stand es im Bericht –, behauptete, zwei verdächtige Personen in der Schellingstraße gesehen zu haben. Was an diesen Menschen jedoch so verdächtig war, konnte er nicht genau sagen. Er beschrieb die beiden als Anfang bis Mitte zwanzig und dunkel gekleidet. Die eine Person mindestens ein Meter neunzig groß, die andere ein gutes Stück kleiner. Es könnte auch eine Frau gewesen sein. Sie hätten sich seltsam bewegt. Was hatte das zu bedeuten? Vielleicht war es ein Pärchen, das betrunken von einer Party kam. Außerdem waren die Wege voll Schnee und teils vereist. Vielleicht hatten sie unpassendes Schuhwerk an und fanden keinen Halt auf den rutschigen Wegen.
    Frustriert schob Brander die Unterlagen zusammen. Konnte es nicht sein, dass der Mann einfach nur unglücklich gestürzt war? Wie leicht konnte unter der Schneedecke eine Eisfläche übersehen werden? Die Blessuren im Gesicht? Faustschläge? Oder war er mit dem Gesicht aufgeschlagen? Wie hatte der Mann überhaupt gelegen, als Ebru Iscan ihn entdeckt hatte? Auf dem Bauch? Auf dem Rücken? Auf der Seite? Verdammt! Brander schlug mit der Hand auf den Tisch, sodass Peppi erschrocken zusammenzuckte.
    »’tschuldige«, brummte er. »Weißt du, wie der Mann auf der Straße gelegen hat, als man ihn gefunden hat?«
    Peppi zog die Stirn in Falten und kaute auf ihrer Unterlippe. »Frau Iscan sagte, er lag auf dem Rücken, am Rand des Gehsteigs. Müsste aber auch im Protokoll stehen, oder?«
    Brander betrachtete missgelaunt den Stapel Papiere auf seinem Schreibtisch. »Ja, vermutlich.« Er sah das schöne und ernste Gesicht von Ebru Iscan vor sich. Man kommt meistens zu spät, nicht wahr?
    »Hat jemand Fotos gemacht, bevor der Rettungsdienst eintraf?«
    »Ich denke, die Kollegen von der Streife werden Bilder gemacht haben. Ansonsten war da sicher auch irgendein Schaulustiger, der sein Handy gezückt hat.« Sie ahmte mit den Händen die Bewegung eines Fotografen nach.
    »Peppi!«
    »Nix, Peppi! Ist doch so! Die Leute machen erst mal Fotos und Videos und stellen die online, bevor sie vielleicht mal einen Notarzt rufen«, ereiferte sich die Kollegin.
    »Die Iscans sind ganz bestimmt nicht so!«
    »Hast ja recht«, lenkte Peppi ein. »Aber es waren auch genug andere da.«
    »Er hat also auf dem Rücken gelegen. Ist er so gestürzt oder hat er sich vielleicht umgedreht, nachdem er am Boden lag?«
    Peppi zog ratlos beide Schultern hoch. »Ich denke, da müssen wir auf den Bericht der Rechtsmediziner warten.«
    Die Soko-Sitzung war spärlich besetzt. Außer dem noch halbwegs gesund gebliebenen Team der Kriminalinspektion 1 waren nur der Kollege von der Presseabteilung und einige Beamte von der Schutzpolizei im Raum sowie ein Mann, dessen Gesicht Brander noch nicht kannte. Vom Erkennungsdienst war noch kein Mitarbeiter anwesend.
    »Darf ich fragen, wer Sie sind?«, wandte sich Brander an den unbekannten, gut gekleideten Enddreißiger mit sportlicher Kurzhaarfrisur.
    »Staatsanwalt Marco Schmid.« Der Mann erhob sich und streckte Brander artig die Hand entgegen. »Und Sie sind …?«
    »Andreas Brander.« Er verzichtete darauf, ihm seinen Dienstgrad zu nennen, reichte dem Mann seine Rechte.
    Schmid nickte. »Ich dachte es mir schon. Herr Lehmann hat Sie genau so beschrieben.«
    Was auch immer er mit »genau so« meinte, er verpackte es in einen so freundlichen Ton, dass es

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