Eisblume
Moment, um Branders Auskunft zu verstehen, schüttelte wieder den Kopf. »Nein … das … Nein! Oh Gott, nein!« Die Wut half nicht. Sie begann wieder zu weinen, schluchzte verzweifelt. Brander reichte ihr ein frisches Taschentuch.
»Gab es irgendjemanden, mit dem Ihr Freund vielleicht Streit hatte?«, versuchte er nach einer Weile, das Gespräch fortzuführen.
»Nein, er kannte hier doch kaum jemanden.«
»Frau Risch, was hatte Ihr Freund gestern Abend bei sich, als er das Haus verließ?«
»Wie meinen Sie das?«
»Wie viel Bargeld hatte er bei sich? Kreditkarten? Ein Handy?«
»Er hatte sein Handy zu Hause liegen lassen. Ich glaub nicht, dass er viel Geld bei sich hatte, vielleicht zehn oder zwanzig Euro, und die Kreditkarte nahm er eigentlich nie mit.«
Einen Raubmord konnten sie unter diesen Umständen sehr wahrscheinlich ausschließen. Sowohl Geldbeutel als auch Ausweispapiere waren noch in den Jackentaschen gewesen. Andererseits musste der Täter nicht gewusst haben, dass es bei Nael Vockerodt nichts zu holen gab.
»Wir sind genauso weit wie vorher«, resümierte Brander, nachdem Jasmin Risch gegangen war.
»Vielleicht war es doch nur ein tragischer Unfall. Vockerodt ist auf dem Schnee ausgerutscht und unglücklich gestürzt«, überlegte Peppi.
Brander schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Er hatte Blessuren im Gesicht, und die Iscan hat verschiedene Männerstimmen gehört.«
»Wie machen wir jetzt weiter?«
»Bis wir die Befragungsprotokolle und den Obduktionsbericht bekommen, dauert es noch eine Weile. Ich fahre raus und schau mir den Tatort noch mal bei Tageslicht an. Kommst du mit?«
Peppi sah zum Fenster. Noch immer wirbelten vereinzelt Schneeflocken durch die Luft. »Nicht, wenn ich nicht muss.«
Brander grinste hämisch. »Dann lass uns fahren.«
»Och, Andi!«
Brander hatte Peppi erlaubt, in der Dienststelle zu bleiben. Eigentlich war er ganz froh, eine Weile mit sich allein zu sein. Es erschreckte ihn, wie leicht er die Gedanken an Babs und seinen Bruder zur Seite geschoben hatte. Schuldgefühle machten sich in ihm breit. Er versuchte, sie durch Pflichtgefühl zum Schweigen zu bringen. Nachdem er den Wagen wie in der Nacht zuvor am Straßenrand in der Eugenstraße geparkt hatte, wählte er Daniels Mobiltelefonnummer. Aber noch immer war das Handy ausgeschaltet. Er probierte es über den Festnetzanschluss seines Bruders, aber auch dort ging niemand ans Telefon. Gerade als er überlegte, seine Eltern anzurufen, sah er Ebru Iscan die Straße entlanggehen. Er stieg aus.
»Frau Iscan!«
Die Frau blieb stehen und drehte sich zu Brander um. Sie lächelte, als sie ihn erkannte. »Sie sind der Kommissar von heute Nacht, nicht wahr?«
»Ja.« Er ging die wenigen Schritte, bis er vor ihr stand. Sie war einen Kopf kleiner als er. »Hätten Sie einen Moment Zeit? Ich würde Ihnen gern noch ein paar Fragen stellen.«
»Ja, natürlich.« Ihr Gesichtsausdruck wirkte entspannter als in der Nacht. Erwartungsvoll sah sie Brander an.
»Kommen Sie.« Gemeinsam gingen sie zu der Stelle, an der Nael Vockerodt gelegen hatte.
»Wie hat der Mann hier gelegen, als Sie ihn von Ihrem Fenster aus gesehen haben?«
»Er lag auf dem Rücken.«
»Können Sie mir genau zeigen, wo und wie der Mann auf der Erde gelegen hat?«
»Das ist schwierig. Es ist so viel Schnee gefallen.« Sie deutete mit der flachen Hand auf den Boden. »Er lag nahe an der Bordsteinkante. Der Kopf ungefähr hier, die Füße da. Die Arme vielleicht so, ich weiß nicht mehr genau.« Sie hielt ihre Arme ein Stück seitlich ihres Körpers, um es ihm zu zeigen.
»Haben Sie etwas verändert?«
»Wir haben Decken um ihn gelegt, um ihn zu wärmen.«
Brander nickte nachdenklich und sah zu der Wohnung, in der die Iscans wohnten.
»Von welchem Fenster aus haben Sie auf die Straße geguckt?«
»Das da, an der Seite.« Sie deutete mit dem Finger zu dem Fenster.
Wäre der Täter in Richtung Reutlinger Straße geflohen, hätte sie ihn vielleicht noch sehen können. War er in die andere Richtung, zur Steinlach oder zum Hauptbahnhof gelaufen, wäre er schnell aus dem Blickwinkel verschwunden. Er wandte sich wieder Frau Iscan zu.
»Ist Ihnen vielleicht sonst noch etwas eingefallen?«
»Nein, ich habe wirklich über alles noch einmal nachgedacht. Es tut mir sehr leid.«
Sie blieb wartend vor Brander stehen, während der Kommissar nach einer Frage suchte, die ihn der Lösung des Falls näher brachte.
»Es war gut, dass Sie sich gestern um den
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