Eisblume
Mann gekümmert haben«, sagte er schließlich.
»Wenn ich helfen kann, dann helfe ich. Oh …« Sie griff in ihre Manteltasche und zog ein Handy hervor, las die Kurzmeldung auf dem Display. »Entschuldigung. Das war mein Mann. Er hat uns vom Fenster aus gesehen.« Sie winkte an Brander vorbei zum Haus.
Brander sog die Luft ein. »Ich hoffe, Sie bekommen keine …«
»Nein, nein. Drehen Sie sich bitte noch einmal zum Fenster um, damit er sieht, wer Sie sind. Er macht sich immer große Sorgen. Wir haben nur noch uns.« Sie sagte es mit einem wehmütigen Lächeln.
»Sie haben keine Kinder?«, rutschte es Brander heraus. Er biss sich auf die Lippen. Das Privatleben dieser Frau ging ihn nichts an.
»Wir hatten zwei kleine Mädchen. Sie starben bei einem Bombenattentat. Mein Mann verlor dabei sein Gehör und seine Sprache.«
So viel Leid. Brander fehlten die Worte.
Er ließ Ebru Iscan nach Hause gehen, schlenderte weiter den Weg entlang. Ein Laden mit dem Namen »Bongoroots« weckte seine Aufmerksamkeit. »Afro-Caribbean-Kitchen, Catering, African Products« stand werbend auf einer Leiste neben der Eingangstür. War Nael Vockerodt deswegen nachts hier gewesen? Er wollte den Laden betreten, aber es war geschlossen. Er würde später die Kollegen noch einmal hier vorbeischicken.
Brander setzte seinen Weg fort, vorbei am Südstadtbäcker und einem kleinen Lottoladen, bog gedankenverloren hier und da links und dann wieder rechts ab, ohne wahrzunehmen, wohin er ging. In seinem Kopf sprangen die Gedanken von einem zum nächsten, ohne dass er auch nur einen einzigen davon zu Ende bringen konnte. Da war die Sorge um seine Schwägerin, die Trauer von Jasmin Risch, das Leid der Iscans. Andere Fälle tauchten auf. Zwei Morde im Spätsommer, deren grausame Wahrheit ihn tief erschüttert hatte. »Lass das alles nicht so nah an dich ran«, bemühte er sich um Abstand, als plötzlich ein Wagen langsam neben ihn fuhr und das Seitenfenster automatisch herunterließ.
»Hallo, schöner Mann. So allein heute?«
Dieser Spruch konnte nur von einem einzigen Menschen kommen. Brander blieb stehen, und der Wagen neben ihm hielt am Straßenrand. Er trat an das Auto, beugte sich zum Beifahrerfenster herunter.
»Hallo, Karsten.«
»Wohin willst du? Steig ein, ich nehm dich mit.« Karsten Beckmann grinste freudig überrascht, Brander so unerwartet getroffen zu haben.
»Nicht nötig, ich steh da …« Brander wollte in eine Richtung zeigen und stellte fest, dass er nicht genau wusste, wo er eigentlich entlanggelaufen war. Leicht desorientiert sah er sich um. Beckmann lachte.
»Soll ich dich bei der Polizeidirektion abliefern? Vielleicht rufen sie Cecilia an, damit sie dich abholt.«
»Scherzkeks. Krieg ich bei dir ‘nen Kaffee?«
»Espresso, Cappuccino, Latte macchiato – was dein Herz begehrt.« Karsten zwinkerte ihm zu, und Brander stieg ein.
Eigentlich hätte er die wenigen Meter zu Beckmanns Wohnung in der Katharinenstraße auch noch zu Fuß gehen können. Sie mussten nur noch einmal links abbiegen, dann rangierte Karsten den Wagen in eine enge Parklücke.
»Ich war gerade einkaufen. Du kannst mir tragen helfen.« Beckmann stieg aus und ging zum Kofferraum. »Nimmst du die Kiste mit dem Saft?«
Sie schleppten die Einkäufe in die erste Etage und stellten alles in der Küche ab.
»Cappuccino?«
»Weibergesöff«, lästerte Brander. »Ich brauch einen doppelten Espresso.«
Beckmann lächelte ihn begehrlich an. »Ja, du bist ein richtiger Kerl, Süßer«, kam umgehend die Retourkutsche.
Brander ignorierte die Anmache. Er war ja selber schuld, bei der Vorlage, die er ihm gegeben hatte.
»Geht gleich los, ich pack schnell noch die Sachen in die Gefriertruhe. Hast du schon gegessen?«
Brander sah auf die Uhr. Es war zwei Uhr mittags vorbei. An Essen hatte er überhaupt nicht gedacht. »Nein.«
»Prima, ich auch nicht. Was hältst du von Spaghetti mit Pesto? Geht ganz schnell.«
»Danke, gern.«
Nachdem Beckmann einen Topf Wasser auf den Herd gestellt hatte, ging er mit dem Kommissar ins Wohnzimmer.
»Wow.« Brander blieb einen Moment lang sprachlos im Türrahmen stehen. Vor gut einer Woche, als sie Beckmanns achtunddreißigsten Geburtstag gefeiert hatten, hatte der Raum noch anders ausgesehen. Jetzt lag auf dem Couchtisch ein roter Läufer, darauf stand ein riesiger Adventskranz mit dicken roten Kerzen und allerlei Goldschmuck. Kleine Glitzersterne waren auf dem ganzen Tisch scheinbar wahllos verstreut. Die Kissen auf
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