Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Judith erläuterte: »Einen Komplizen, der aber bisher mehr bestreitet als zugibt. Außerdem die Aussagen eines Fünfjährigen und seiner zwei Jahre älteren Schwester, dass Lemke sich einige Tage vor der Entdeckung von Robert Wolffs Leiche in Waldau am Teich aufgehalten hat. Das ist nicht viel.«
»Ein Arbeitskollege erwähnte ein Messer, das Lemke bis vor wenigen Tagen immer bei sich trug«, ergänzte Dreyer, wovon Judith ihm auf der Herfahrt kurz berichtet hatte. »Und für die gewaltsame Entführung heute Vormittag haben wir genug Augenzeugen.«
Dr. Renz griff zu seinen Unterlagen. »Ein Messer? Da kann ich Ihnen vielleicht mehr dazu sagen. Wollen wir hinübergehen?«, wies er freundlich in Richtung der Stahltische.
Judith Brunner hatte damit keine Probleme. Walter Dreyer wäre lieber bei Kaffee und Nusstörtchen sitzen geblieben.
Dr. Renz hob das Tuch von der Leiche und legte den Oberkörper frei. Bruno Michaelis’ Gesicht und der Kopf schienen unverletzt, am Leib war jedoch neben den bekannten Einschnitten auch eine kleine Stichwunde deutlich zu sehen.
»Diese Schnitte hier kennen Sie schon. Postmortal, mit einer scharfen Klinge in Lunge und Gedärm gestochen und dann zum Schnitt gezogen. Ich nehme an, auch hier war ein Versenken des Leichnams im Wasser geplant.«
Niemand widersprach ihm.
»Ich bin überzeugt, dass dies der Beleg dafür ist, dass wir es mit ein und demselben Täter zu tun haben.«
Auch zu dieser Bemerkung gab es schweigende Zustimmung.
Doch als Dr. Renz fortfuhr: »Zumindest was die Beseitigung der Leichen angeht, aber … «
Judith Brunner sah ihn auffordernd an. »Ich bin gespannt, Dr. Renz.«
»Passen Sie auf: Todesursache war dieses Mal nicht ein Schlag, sondern dieser feine Stich hier – direkt ins Herz. Sehr präzise. Der Mann ist nach innen in die Brusthöhle verblutet.«
»Ein Stich ins Herz! Aber warum war kaum Blut im Haus?«, gab Judith verwundert von sich.
»Vielleicht gibt es wieder einen anderen Tatort?«, hielt Walter für möglich.
»Oder das Messer blieb in der Wunde, so konnte weniger Blut herauslaufen«, hatte Dr. Renz einen weiteren Vorschlag.
»Das funktioniert?«
»Ja. Vorausgesetzt, das Opfer liegt flach auf dem Rücken und es bewegt sich nicht«, erläuterte Dr. Renz.
»Wie soll das denn möglich sein? Michaelis wird versucht haben, sich zu wehren!« Walter Dreyer konnte sich eine solche Situation nicht anders vorstellen.
»Damit ein Stich, besonders ins Herz, tödlich ist, muss er mit ziemlicher Kraftanstrengung ausgeführt werden«, erklärte Dr. Renz. »Ein Kampf hat bei unserem Opfer definitiv nicht stattgefunden. Es gibt keine Abwehrverletzungen, keine Hämatome und keine Abschürfungen.«
»Ein Stich in die Brust, und der Mann hat nicht versucht das abzuwenden?« Walter war nicht zu überzeugen. »Und Sie meinen, er lag auf dem Rücken?«
»Ja.« Dr. Renz machte eine bedeutsame Pause. »Beides kann auf Suizid hindeuten«, ließ er seine Zuhörer wissen. »Sein Hemd war übrigens nicht zerstochen, was allgemein auch ein Hinweis auf Selbstbeibringung der Stichwunde ist. Seine Kleidung wurde zwar zerrissen, aber wahrscheinlich nur im Zusammenhang mit der Anbringung der anderen Schnitte.«
Während der letzten Ergänzungen hatten Judith Brunner und Walter Dreyer Gelegenheit gehabt, den Hinweis des Rechtsmediziners zu verarbeiten.
»Selbstmord?« Judith war mehr als überrascht.
»Vielleicht wurde Michaelis aber auch im Schlaf überrascht«, bot Dr. Renz an und erklärte weiter: »Die Stichwunde ins Herz ist mit einem völlig anderen Tatwerkzeug beigebracht worden als die Schnitte am Leib. Sehr schmal und scharf, einschneidig und spitz zulaufend, ca. 13,5 cm lang. Ein Tranchiermesser oder etwas Vergleichbares.« Nun sah er Judith Brunner fragend an.
»Bisher haben wir nichts Derartiges gefunden«, teilte sie mit, »doch jetzt können wir auch gezielter danach suchen.«
Dann berichtete Dr. Renz weiter: »Die Blutspuren aus dem Haus stammen übrigens alle vom Opfer, insofern wird das Haus auch der Tatort gewesen sein und der Leichnam wurde dann später hinausgetragen.« Er hielt kurz inne. »Ehe ich es vergesse, das Blut aus dem Postauto könnte von Wolff stammen; die Blutgruppen stimmen überein. Grüßen Sie Ritter von mir!«
Judith nickte nur dankend und kam auf Michaelis zurück: »War er krank?« Sie dachte noch immer an die Selbstmordtheorie.
»Nein, er war ein gesunder Mann von robustem und altersgerechtem Körperbau.«
»Könnte er
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