Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
stolperte, fiel mit Leon zu Boden, und nun saß Walter Dreyer ihm auf dem Rücken.
Leon stürzte zu Fritzi und nahm den schreienden, kleinen Kerl hoch. »Ich hab dich, Fritzi. Alles ist gut. Ich bring dich zu deiner Mama. Du musst gar nicht mehr so doll weinen, ich lasse dich nicht los.«
Er blickte fragend zu Walter Dreyer, der jedoch damit beschäftigt war, dem Mann Handschellen anzulegen.
So ging Leon einfach mit dem Kleinen auf dem Arm davon.
Inzwischen war einer der Streifenbeamten angekommen und konnte helfen, Berthold Lemke hochzuziehen und zum Einsatzfahrzeug zu bringen. Dass es sich um den Gesuchten handelte, daran zweifelte Walter Dreyer nicht eine Sekunde.
»Danke, Laura«, keuchte er erleichtert, »endlich haben wir den Kerl.«
Verstohlen betrachteten die jungen Frauen den Fremden. War das der Mann, der zwei Menschen ermordet hatte und offenbar auch nicht davor zurückgeschreckt war, ein kleines Kind zu töten? Auf eine gewisse Art wirkte der Mann sogar interessant, war athletisch, groß, hatte gut geschnittene Haare und schien auf sich zu achten. Dennoch verriet der gnadenlose Blick in seinen Augen den Abgrund hinter dieser Fassade. Entsetzt wendeten sich die beiden Freundinnen von dem Mann ab.
Walter Dreyer schickte Laura und Astrid zurück ins Gutshaus. Nur Laura war immer noch passend für einen Winterspaziergang angezogen. Astrid hatte sich bei ihrem unerwarteten Aufbruch in der Eile nichts überziehen können. Sie zitterte in der Kälte in ihrem dünnen Hausanzug.
Er redete auf die beiden ein: »Nun lauft schon. Ich komme sicher noch mal vorbei wegen eurer Zeugenaussagen. Einstweilen bin ich aber erst einmal mit unserem Mörder beschäftigt. Und«, fügte Walter befriedigt hinzu, »ich bin überaus froh darüber.«
Vor Elvira Bauers Haus, auf dem Gelände der Gärtnerei, standen mehrere Autos: Der Festgenommene saß bereits auf dem Rücksitz eines Streifenwagens.
Judith Brunner wies gerade zwei Mitarbeiter an, den Mann nach Gardelegen zu bringen.
Dr. Grede sollte ebenfalls zurückfahren und die Vernehmung Berthold Lemkes für den Nachmittag vorbereiten. »Vielleicht schaffen wir es sogar heute noch, den Fall abzuschließen«, fügte sie optimistisch hinzu.
»Die Kollegen haben ihn eben untersucht. Er hat nichts bei sich, keine Brieftasche, keine Schlüssel, schon gar keine Waffe oder so. Hoffen wir, dass er redet«, blieb ihr Stellvertreter skeptisch und meinte: »Thomas Ritter habe ich informiert. Er fährt selbst nach Wiepke in Lemkes Haus und sieht sich dort um. Zwei Leute schickt er hierher nach Waldau. Der zweite Streifenwagen bleibt vorerst hier vor Ort. Die Kollegen können denen alles zeigen. Sie sperren gerade oben bei den Blutbuchen die Stelle der Rangelei ab. Vielleicht können wir dort noch etwas finden, was Lemke schnell noch versucht hat, loszuwerden.«
Judith Brunner war mit diesen Regelungen zufrieden und nickte Dr. Grede zu. Dann fiel ihr ein: »Ach, und Lisa Lenz soll zur Kreisverwaltung in die Abteilung gehen, die sich um die entlassenen Strafgefangenen kümmert. Dort müsste es eine Akte zu Berthold Lemke geben. Die brauchen wir.«
»Richtig«, stimmte ihr Dr. Grede zu.
Judith Brunner war noch nicht fertig: »Rufen Sie bitte auch im Strafvollzug in Stendal an? Vielleicht können die uns etwas Interessantes zu Lemke berichten. Ich komme nach Gardelegen, sobald ich hier weg kann.«
Der Streifenwagen und Dr. Gredes Auto fuhren los. Judith sah den langsam zur Straße schaukelnden Fahrzeugen einen Moment nach. Sie war erleichtert, dass Leon und Walter Berthold Lemke noch rechtzeitig hatten stoppen können, bevor er dem Jungen etwas antun konnte. Dr. Grede und sie wären wahrscheinlich zu spät erschienen, um ein weiteres Verbrechen zu verhindern.
Dann entdeckte sie Walter und ging ihm entgegen. »Das war knapp, wie?«
»Ich fasse das nicht! Wieso war der Junge draußen? Ich war höchsten zwei Minuten am Streifenwagen.« Walter Dreyer ärgerte sich furchtbar über sich selbst.
»Fritzi wird einfach die Gelegenheit genutzt haben. Kinder sind da pfiffig. Zum Glück warst du doch da und hast Schlimmeres verhindert«, versuchte Judith, ihn zu beruhigen.
»Na ja, eigentlich hat Leon die Lorbeeren verdient. Er hat den Kleinen erneut gerettet.«
»Wie er sagte, warst du ihm ebenfalls dicht auf den Fersen, also kannst du dich ruhig auch loben lassen.«
»Gut, gut«, willigte Walter ein und lächelte aufgemuntert zurück, »wiederhol das einfach heute Abend noch mal.«
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