Eisblut
ist nahezu vollständig
aufgelöst, und die beginnende Schwärzung weisen auf eine Besiedlungswelle hin,
die â¦Â«
»Karen«, unterbrach Christian, »erspare mir den Jahreswetterbericht
und euer Entomologen-Gequatsche. Wie lange?«
»Mindestens seit dem Frühjahr. Das lässt sich nicht mit Bestimmtheit
sagen. Sorry für den wiederholten Wetterbericht, aber da war auch dieser lange,
eiskalte Winter. Das heiÃt, die Leichen könnten sozusagen tiefgekühlt seit
Anfang des Jahres ohne Insektenbefall in dem Bunker gelegen haben. Unterhalb
von zehn Grad Celsius legen viele mitteleuropäische Insekten keine Eier ab. In
solchen Fällen kann es passieren, dass eine Leiche austrocknet und mumifiziert,
ohne von Insekten besiedelt zu werden. Das ist hier nicht der Fall. Wir können
daraus schlieÃen, dass die Leichen nicht den ganzen Winter da lagen, sonst
wären sie vertrocknet. Als es anfing zu tauen, waren sie noch lecker genug für
Käfer und SchmeiÃfliegen, die ihre Eipakete massenweise abgelegt haben. Die
Leichen liegen mindestens seit Ende Februar, eventuell sogar schon seit Januar.
Präziser gehtâs kaum, tut mir leid.«
»Sonst noch was?«
»Alter bei dem Mann Mitte fünfzig, bei der Frau ein wenig jünger.
Genaueres kann ich sagen, wenn ich die Ergebnisse der DNS-Analysen habe.
Fingerabdrücke kannst du natürlich vergessen, aber Zahnabdrücke und Röntgenaufnahmen
liegen bereit.«
»Dass die Ausweise gefälscht sind, weiÃt du?«
Im Hintergrund hörte man das Geklapper von Porzellan.
»Schwarz, ohne Zucker«, rief Karen. »Ja, Pete hat mich angerufen.
Ist wohl exzellente Profiarbeit, sagt er. Jedenfalls habe ich deswegen schon
mal alle bislang verfügbaren Fakten für eine Identifizierung zusammengestellt.«
»Gut. Warâs das?«
Karen zögerte kurz. »Es wird dich nicht überraschen, dass beide
Leichen vor ihrem Tod gefoltert wurden. Wie in allen Einzelheiten, können wir
nicht mit Bestimmtheit sagen, aber Finger- und FuÃnägel fehlen bei beiden, und
das lässt sich nicht auf Insekten oder Tierfraà zurückführen. Dem Mann fehlen
auÃerdem beide Hände, sie wurden mit einer offensichtlich stumpfen Säge
abgenommen. Wir haben sie bei der Frau gefunden. Die Hände, meine ich. Also
eher ⦠in der Frau. Vaginal und rektal.«
»Aha.« Christian hatte keine Ahnung, was er sonst zu diesem
grausigen Detail sagen sollte. Es hatte ihm kurz die Sprache verschlagen.
»Das warâs fürs Erste. Ich geh jetzt ins Bett. Schlaf schön.«
»Sehr witzig«, meinte Christian belegt. Er hörte ein kurzes Lachen
von Karen, dann legte sie auf.
Die tägliche Morgenkonferenz war von zehn auf acht Uhr
vorverlegt worden, die Truppe reduziert. Volker hielt sich immer noch in Reinbek
auf, Yvonne war nicht da. Dafür tauchte kurz vor neun Anna auf, in der Hand
eine groÃe Tüte vom Bäcker. Dankbar stürzten sich Daniel und Pete auf die
frischen Brötchen, Eberhard und Christian hatten schon gefrühstückt.
»Ich war gestern Abend noch bei Yvonne und habe versucht, ihr
möglichst schonend beizubringen, was passiert ist«, erzählte Anna, während sie
den bitteren Kaffee schlürfte, den Christian zusammengebraut hatte.
»Mist. Ich habe Yvonne komplett vergessen. Danke, dass wenigstens du
daran gedacht hast«, erwiderte Christian mit schuldbewusstem Blick.
»Schöne GrüÃe von ihr. Sie fährt heute Morgen für eine Woche zu
ihren Eltern. Ich soll euch Bescheid geben und Brötchen bringen, damit ihr ohne
sie nicht verhungert.«
»Yvonne ist ein Schatz. Meinst du, ich kann sie mal anrufen?«,
fragte Daniel.
»Darüber würde sie sich bestimmt riesig freuen, mach das.« Anna
wollte nicht länger stören und verabschiedete sich, zumal sie zur Uni musste.
Christian brachte sie hinaus, nahm sie in die Arme und bat sie, falls sie Lust
hätte, gegen Mittag wieder reinzuschauen. Vielleicht konnten sie zusammen essen
gehen. Anna versprach es.
Grübelnd ging Christian zurück in das Besprechungszimmer. »Wo waren
wir stehengeblieben?«
»Du hast mal wieder über Koinzidenzen und Synchronizität von
Ereignissen spekuliert«, sagte Pete, »und ich gebe dir recht. Das Alter und
auch der mögliche Todeszeitpunkt passen zu dem mutmaÃlichen Verschwinden von
diesem
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