Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
Vom Netzwerk:
öffnete damit den obersten Ausweis vorsichtig. Er war auf
einen Mann namens Joachim Gerrig ausgestellt, geboren 1951 in Krefeld. Der
zweite Ausweis war der der Frau. Sie hieß Elfriede Gerrig, 1960 in Flensburg
geborene Bachmann. Christian ließ die Ausweise so liegen und suchte mit dem
Schein seiner Taschenlampe die Umgebung ab. Zwischen den beiden Leichen ragte
eine Stahlverstärkung aus der Wand hervor, an beiden Enden jedoch im Beton
verankert. Daran war eine Fußschelle befestigt, ein Ring in der Stahlstrebe,
der andere hing frei herunter, beide Ringe geschlossen. Unter den
herabhängenden Fußschellen entdeckte Christian einen noch frischen, erheblichen
Blutfleck, in dem große Stücke zerfetzten Gewebes schwammen. Als Christian klar
wurde, was er da sah, wollte sein Magen sofort wieder rebellieren: Martin
hatte, vermutlich in der Tüte des Mannes, das Messer gefunden, das er noch im
Krankenhaus umklammert hielt, und sich damit Stück für Stück die linke Ferse weggesäbelt,
um aus der Fußfessel zu entkommen.
    Anna saß im Clubhaus und wärmte sich bei einer Tasse Tee
auf. Sie war vom stundenlangen Warten vollkommen durchgefroren. Der Golfclub
war auf polizeiliche Anweisung für die nächsten Tage geschlossen worden, der
Pächter des Clubhauses jedoch hielt seinen Betrieb in reduzierter Besetzung
aufrecht. Vermutlich hoffte er, seinen Verdienstausfall durch hungrige
Polizisten auffangen zu können. Auch Anna war hungrig, hatte aber das Gefühl,
nie wieder einen Bissen herunterbekommen zu können. Gesehen hatte sie nichts,
weder Martin noch die Schrecknisse im Bunker, doch die knappen Informationen,
die Karen ihr gegeben hatte, und das Getuschel der Clubangestellten zerrten
genug an ihren Nerven.
    Langsam senkte sich die Abenddämmerung herab, die fahle
Novembersonne am Horizont besaß nicht mehr genug Kraft, sich gegen den Einbruch
der Nacht zu stemmen. Anna sah aus dem Fenster und war in den Anblick der sich
vor ihr ausbreitenden Hügel und Wiesen versunken, sanft geschwungen, teppichbedeckt,
dahinter Bismarcks Sachsenwald, in durch den Sonnenuntergang ausgewaschenen
Farben, nur noch Graustufen und ein einsetzender leichter Schnürlregen, der die
Sicht nun vollständig zu verwischen drohte. Sie bemerkte nicht, wie Christian
sich ihrem Tisch näherte.
    Â»Tut mir leid, tut mir wirklich leid. Ich hätte mich nicht von dir
herfahren lassen dürfen.«
    Â»Schon okay. Du siehst furchtbar aus. Setz dich. Trink einen Tee.«
    Christian schüttelte den Kopf. »Keine Zeit. Ich muss noch mal ins
Krankenhaus. Karen ist jetzt mit dem Biologen im Bunker. Herd und Volker nehmen
mich mit. Fahr du bitte nach Hause, das hättest du schon längst tun sollen.«
    Â»Ich habe versucht, dich auf dem Handy zu erreichen.«
    Â»Kein Netz im Bunker, tut mir leid.«
    Anna lächelte: »Hör auf, dich zu entschuldigen. Ich habe den ganzen
Nachmittag auf dich gewartet, jetzt wirst du mich nicht mehr los. Ich fahre mit
nach Reinbek und kutschiere dich dann nach Hamburg zurück.«
    Martin war zwar immer noch bewusstlos, aber sein Kreislauf
hatte sich nach der Bluttransfusion ein wenig stabilisiert. Neben seinem Bett
saß Frau Abendroth in einem unbequemen Sessel. Sie mühte sich redlich, die
Augen aufzuhalten, der Arzt hatte ihr eine starke Beruhigungsspritze gegeben.
Früher oder später würde sie einschlafen und das Pflegepersonal nicht mehr mit
ihren ängstlichen Fragen von der Arbeit abhalten. Ihr Mann lag zwei Stationen
weiter und erholte sich von seinem Blutverlust.
    Christian sprach mit dem Arzt, bekam aber von ihm keine verlässliche
Aussage, ob und wann mit Martin Abendroths Aufwachen zu rechnen sei. Der Körper
sei zwar erst mal über den Berg, doch kein Mensch konnte wissen, welchen
Schaden Martins Psyche genommen hatte und wie stark sein Überlebenswille war.
Während Christians Gespräch mit dem Arzt stand Volker auf dem Flur, die ganze
Zeit den Blick unverwandt durch die Glasscheibe auf den blutverkrusteten jungen
Mann geworfen, der nur noch von Verbänden zusammengehalten schien.
    Â»Ich bleibe über Nacht hier«, sagte er plötzlich zu Christian, und
sein entschlossener Ton ließ weder Fragen noch Diskussionen zu.
    Die anderen fuhren nach Hamburg zurück. Pete und Eberhard jeweils in
ihren Dienstwagen, Christian mit Anna. Schon kurz hinter Reinbek bemerkte
Christian, dass ihnen ein Wagen

Weitere Kostenlose Bücher