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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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keinerlei Anhaltspunkte
dafür, außer einem Wort: Folter. Doch dieses Wort war für Christian
entscheidend, es war der kleinste gemeinsame Nenner in einer verwirrenden
Vielzahl von Fakten, Fundstücken, Aussagen und Thesen. Und jetzt der
Pferdestall. Lars auf der Suche nach dem Phantom. Anna und Yvonne. Was, zur
Hölle, hatten die beiden da verloren? Und wer, zum Teufel, war eigentlich
dieser unsympathische Student, der am Abend im R&B aufgetaucht war und
dessen Hände über Yvonne wanderten, während seine Augen an Anna klebten?

Tag 8: Samstag, 4. November
    Der Tag kündigte sich mit zögerlichem Grauen an, als es
erneut bei Christian klingelte. Es dauerte eine Weile, bis er aus den Tiefen
seines Schlafes auftauchte, und begriff, dass es nicht der Wecker war, der ihn
störte. Er sah auf die Uhr, es war noch nicht mal sechs. Müde rappelte er sich
aus dem Sessel hoch, in dem er in voller Montur zusammengekrümmt gelegen hatte,
und spürte jeden einzelnen Knochen dabei. Es klingelte noch einmal. Missmutig
über die Störung und das Bewusstsein seines Alterns schlurfte er zur
Wohnungstür und öffnete. Anna und Yvonne standen vor der Tür und sahen ihn
entschuldigend an.
    Â»Entschuldige, aber wenn es nicht so wichtig wäre …«, begann Anna.
    Müde winkte Christian ab und ließ die beiden eintreten. Mit ein paar
Handgriffen räumte er Zeitschriften, Unterlagen, benutzte Gläser und Tassen vom
Wohnzimmertisch, während Anna in der Küche Kaffee kochte. Yvonne saß
schuldbewusst auf dem Sofa und bemühte sich vergeblich, nicht an den Fingernägeln
zu kauen. Als Anna aus der Küche zurückkam, saß Christian ruhig in seinem
Sessel und sah die beiden erwartungsvoll an. Anna begann zu sprechen, doch
Yvonne unterbrach sie.
    Â»Lass mal, Anna. Das habe ich mir selbst eingebrockt, und das werde
ich jetzt auch auslöffeln.« Sie rührte in ihrem Kaffee, in den sie weder Zucker
noch Milch hineingetan hatte.
    Â»Können wir das Tempo vielleicht etwas anziehen? Ich würde nämlich
wirklich gerne meinen Ein-Stunden-Schlaf in dem Sessel hier zu Ende bringen«,
drängelte Christian bärbeißig. Anna brachte ihn mit einem warnenden Blick zum
Schweigen, während Yvonne stockend zu erzählen begann.
    Â»Dieser Typ, den ich gestern Abend zu deinem Geburtstag mitgebracht
habe, also eigentlich kam er ja später dazu, aber egal, Martin, das ist ein
Kommilitone …«
    Â»Einer meiner Studenten. Martin Abendroth«, fügte Anna hinzu.
    Â»Jedenfalls kenne ich ihn erst seit Kurzem, und gestern, na ja, da
hat er mich in so einen Laden geschleppt, das hast du ja schon gehört, aber
darum geht es gar nicht. Ich habe mit Anna gesprochen, und da ist mir klar
geworden, warum Martin sich für mich interessiert hat. Also, warum er so getan
hat.« An ihrer unzusammenhängenden Schilderung wurde nur allzu deutlich, wie
schwer Yvonne das Geständnis fiel, sie knetete nervös ihre Hände und schnaufte
wie bei einer großen Anstrengung.
    Â»Er hat mich die ganze Zeit unauffällig ausgefragt über die
Ermittlungen. Weil er Uta Berger gekannt hat. Also, das weiß ich nicht genau,
aber es ist wahrscheinlich. Weil er mir mal erzählt hat, und darüber ärgert er
sich jetzt bestimmt, dass er Theater gespielt hat bei so ’ner Unitruppe. Nur
kurz, im Sommer. Er hat wieder aufgehört, weil ihm die lesbische Regisseurin
auf die Nerven gegangen ist. Und in Utas Theatergruppe die Regisseurin, die ist
doch …« Erschöpft brach Yvonne ab. Sie war wieder den Tränen nah.
    Â»Was weißt du über diesen Studenten?«, wandte sich Christian an
Anna.
    Â»Er ist arrogant, vermutlich hochintelligent, und seine sexuellen
Vorlieben tendieren ganz deutlich in Richtung Sadismus.«
    Yvonne senkte beschämt den Kopf.
    Â»Was genau hat er dich alles über die Ermittlungen gefragt? Und was
hast du ihm erzählt?«, wollte Christian von Yvonne wissen. Anna rechnete es ihm
hoch an, dass er sanft mit Yvonne sprach und den Besuch im Pferdestall nicht
erwähnte. Vermutlich konnte er sich das Ganze nun zusammenreimen und nahm
Rücksicht auf Yvonnes Schamgefühl.
    Â»Er hat mich nach allem Möglichen gefragt. Ganz viel nach Anna
zuerst, und dann in welche Richtung ermittelt wird, was der Mörder mit Uta
Berger gemacht hat, ob es einen Verdächtigen gibt und so.«
    Christian nickte

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