Eisblut
und
entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung. Es ging so schnell, dass Lars
keine Zeit blieb, zu entscheiden, ob er einem von beiden folgen sollte. Also
blieb er einfach stehen und wartete auf Christian. Dabei schlief er ein.
Unter Missachtung aller Verkehrsregeln brauchte Volker exakt drei
Minuten bis zur SusannenstraÃe, wo Kiki wohnte. Sie öffnete erst nach dem
siebten Klingeln. In Unterhemd und Boxershorts, mit einem Baseballschläger in
der Hand und entsprechend grimmiger Miene. Als sie Volker erkannte, stellte sie
das Holz in die Ecke, wurde aber kaum freundlicher. Dennoch lieà sie ihn
herein. Volker war überrascht, wie hübsch und gemütlich Kikis Altbauwohnung
eingerichtet war. Er hätte eher aggressives Chaos mit männerfeindlichen
Graffitis an den Wänden erwartet. Noch gröÃer war sein Erstaunen, als eine
extrem attraktive, groÃe Blondine splitterfasernackt das Wohnzimmer
durchquerte, Kiki lässig von hinten einen Kuss in den Nacken gab, ihn mit einem
genervten Blick bedachte und dann im Badezimmer verschwand, um sich laut
singend zu duschen.
»Du gehörst wohl auch zu den Arschlöchern, die glauben, alle Lesben
sind hässlich und vögeln nur miteinander, weil sie keinen Mann abkriegen?«, grinste
Kiki. Volker verspürte wenig Lust, sich auf eine Grundsatzdiskussion
einzulassen. Er zeigte ihr das Bild von Martin Abendroth und radelte nach einem
kurzen Gespräch wieder zurück zur Einsatzzentrale, als gelte es ein Zeitfahren
bei der Tour de France zu gewinnen. Als die Blondine aus dem Badezimmer
zurückkam, hockte Kiki nachdenklich auf dem Boden und wog den Baseballschläger
in der Hand.
Eberhard saà unterdessen auf einem geblümten Sofa in Eidelstedt und
zeigte seiner ehemaligen Wurstverkäuferin Daniela Sigrist, inzwischen Lack- und
Lederfachkraft im »Juliette«, das gleiche Foto. Auch ihm genügte ein kurzes
Gespräch.
Lars schlief noch immer in seinem Wagen, als Volker und Eberhard von
ihren Befragungen schon wieder zurück waren. Volker berichtete, dass Martin
Abendroth tatsächlich Uta Berger in der Theatergruppe kennengelernt hatte. Nach
Kikis Meinung war Uta scharf auf Martin gewesen, doch der habe sich vielmehr
damit beschäftigt, alle höllisch zu nerven. Er wollte unbedingt Tennessee
Williamsâ »Endstation Sehnsucht« in den Spielplan aufnehmen, natürlich mit sich
selbst in der Hauptrolle als Stanley Kowalski. Als er sich damit gegen die
anderen nicht durchsetzen konnte, habe das laut Kiki »arrogante Arschloch« die
Truppe gleich wieder verlassen. Sie wäre nie auf Martin Abendroth gekommen als
Utas Liebhaber, dafür hatte er viel zu wenig Interesse an ihr gezeigt.
»Dennoch war er es wohl«, meinte Eberhard. »Daniela Sigrist hat ihn
eindeutig identifiziert. Er hat mehrfach Sexspielzeug im âºJulietteâ¹ eingekauft,
unter anderem auch einen Ledertanga, wie wir ihn in Utas Schublade gefunden
haben.«
»Wie faszinierend, dass er ausgerechnet den Stanley Kowalski auf der
Bühne spielen will«, sinnierte Pete, »den Prototyp des prügelnden Proleten.
Einen Vergewaltiger zudem. Passt hübsch ins Bild, oder?«
»Was wissen wir noch über diesen Kerl?«, wandte sich Christian an
Daniel.
»Nicht viel. Daddy ist ein reicher Kaufmann, dritte Generation im
Kaffeegeschäft, stinkt vor Geld. Mami bringt bei Wohltätigkeitsveranstaltungen
ein wenig von der Kohle unters Volk. Hamburger Pfeffersäcke, die einen auf
Gemeinwesen machen. Stramm konservative CDU-Parteimitglieder, nur
einen Sohn. Das verhätschelte Einzelkind Martin wächst mit allen Privilegien
auf. Tennis, Hockey, Golf, Klavier, Auslandsaufenthalte als Austauschschüler in
den USA
und in Schweden. Militärdienst verweigert, an allen Schulen und der Uni nur
Bestnoten. Ein Streber. Wohnt voll nobel in einem Dachgeschoss in der
âºBellevueâ¹, mit Blick auf die Alster. So wohnt doch kein Student! So wohnen
Yuppie-Ãrsche!«
»Bloà kein Sozialneid«, wies Christian den Kollegen in die
Schranken.
Auch bei ihm keimte allerdings Missgunst auf, als er in
der Wohnung stand. Das Dachgeschoss war mindestens doppelt so groà wie sein
eigenes, die üppig begrünte Terrasse geräumiger als sein Wohnzimmer. Sehr
erlesen möbliert. Zumindest vor wenigen Stunden noch. Nun lag alles in
Trümmern, das Designersofa zerfetzt, Tisch, Stühle, Regale, ein Eames-Sessel
und die
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