Eischrysanthemen
Entschluss wollte er ihm persönlich mitteilen, weswegen er darauf verzichtete im Hotel anzurufen. Gewisse Dinge teilte man eben von Angesicht zu Angesicht mit und nicht per Telefon. Soviel Rückgrat hatte Vincent dann doch.
Mental bestens vorbereitet, die Worte, die er sagen wollte, zurechtgelegt, betrat er das Hotel und stand nur Minuten später vor Kiras Zimmertür. Als er anklopfte, fragte sich Vincent ob Kira überhaupt da war, doch zu seinem Glück öffnete er die Tür und musterte Vincent etwas überrascht.
„Geht meine Uhr falsch?“, fragte er und ließ Vincent eintreten.
„Nein, nein, ich bin zu früh, weil ich ... etwas besprechen wollte“, sagte Vincent, der sich in Kiras Nähe wieder ganz anders zu fühlen begann. Seine wohlüberlegten Worte waren dabei, ihm von der Zunge zu kriechen. Eine nicht geringe Schuld an dem Ganzen lag bei Kira selbst, der sich an einen der Sessel gelehnt und die Arme locker vor der Brust verschränkt hatte. Er wirkte aufmerksam und entspannt, während die Wintersonne von der Seite auf ihn schien und die dunkle Kleidung ihn wie einen Geschäftsmann wirken ließ.
„Das erklärt natürlich, warum du heute ohne deine Tasche gekommen bist“, warf Kira ein.
Vincent blickte irritiert an sich herunter. Eine vollkommen überflüssige Geste, aber er brauchte ohnehin einen Augenblick, um sich zu sammeln.
„Ähm, ja ... also ...“ Vincent stockte, und gab sich dann einen Ruck. „Ich bin gekommen, um das Interview abzubrechen.“ So, nun war es raus und das gute Gefühl, das sich Vincent von diesen schweren Worten erhofft hatte, blieb zu einem Großteil aus.
„Aha“, war alles, was von Kira kam.
Vincent war völlig durcheinander. Freute er sich denn nicht? War das nicht sein Ziel gewesen? Zumindest hatte Vincent das Gefühl gehabt, dass alles, was Kira gefordert hatte, einzig und allein dazu dienen sollte, Vincent zu vertreiben. Nun war genau das eingetreten, und es gab nur ein ‚aha’?
„Ich werde die bereits geführten Gespräche nicht veröffentlichen“, hörte Vincent sich reden, um bloß keine Stille aufkommen zu lassen, da er eben eine ganz andere Reaktion erwartet hatte. „Es wäre ohnehin nur ein halb fertiger Artikel und ...“
Kira richtete sich auf, und Vincent verstummte. Würde jetzt die Erleichterung auf Kiras Gesicht Einzug halten? Nein, das wurde Vincent einen Moment später klar.
„Ich habe mir schon gedacht, dass du niemand bist, der sein Wort halten kann“, bemerkte Kira kühl und wandte sich ab, um das Wohnzimmer Richtung Schlafzimmer zu verlassen. Vincent stand da und verstand nicht, was gerade passierte. Es hätte ihm einerlei sein können, was Kira sagte, aber das war es nicht. Es kratzte an Vincents Ehre. Er fühlte sich gekränkt und folgte Kira in den anderen Raum.
Sich nun auch noch als jemand hinstellen lassen, der sich nicht an Abmachungen hielt, wollte er ganz und gar nicht!
„Ich nahm an, dass wir beide das Interview beenden wollten.“ Nun gut, Vincent hatte es nicht beenden wollen, aber sich zum Spielball eines launischen Schauspielers machen lassen, wollte er dann doch nicht.
„Das ist deine Meinung. Ich bin niemand, der derartige Absprachen macht und dann bricht“, antwortete Kira, der den Schrank geöffnet hatte und mit übertriebener Sorgfalt dabei war ein Hemd für den Tag zu wählen.
„Aber diese Abmachung diente doch lediglich dazu, mich dazu zu bringen, die Story aufzugeben! Zu nichts anderem!“
Kira drehte den Kopf zu ihm, legte ihn schief und für einen Moment meinte Vincent, das maskenhafte weiße Gesicht auf seinen Zügen zu erkennen, was er schon im Theater gesehen hatte. Es war nicht da, denn Kira war ungeschminkt, aber das Gefühl, dass Kira sich vor ihm versteckte, wollte ihn nicht mehr loslassen.
„Ist das so?“
Die schnippische Antwort brachte Vincent in Bewegung. Er stürmte auf Kira zu, ergriff seinen Oberarm und drehte ihn mit einem Ruck zu sich. Unter seiner Hand spannten sich Muskeln, das konnte er sogar durch das dünne Hemd spüren, und dann blickte Kira Vincent feindselig an.
„Was hätte es sonst sein sollen?“ Vincent war wütend, und er wusste nicht einmal warum. Anstatt sich aus der Situation zu stehlen und einfach zu gehen, ärgerte ihn Kiras Verhalten. Kira gab ihm die Schuld für das Scheitern des Interviews, dabei hatte er doch alles getan, damit Vincent aufgab.
„Vielleicht habe ich auch einfach mal einen Europäer haben wollen“, zischte Kira zurück, und das war der Tropfen,
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