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Eischrysanthemen

Eischrysanthemen

Titel: Eischrysanthemen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Murasaki
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durfte.
    Das Gefühl, Kira zu einer Antwort bewegt zu haben, war gut, doch die Antwort war nicht das, was er erwartet hatte. Dennoch zügelte sich Vincent, denn er wollte den Ausgleich, den er zwischen ihnen geschaffen hatte, nicht gleich wieder zerstören, selbst wenn es ihm schwerfiel. Es nagte an ihm, dass der Mann, für den er sich interessierte, vielleicht einen anderen hatte. Damit konnte er sich im Augenblick nicht beschäftigen, so schwierig das auch war.
    „Also gut.“ Er unterdrückte den Impuls, sich durchs Haar zu fahren. „Wollen wir gehen?“ Die Garderobe war nach dem Vorfall von eben nicht der richtige Ort um Weiteres zu besprechen.
    „Wohin?“, fragte Kira nun deutlich irritiert.
    „Vielleicht was trinken, ich ... wir hatten doch ausgemacht, dass wir heute reden.“ Erst sah es so aus, als würde Kira einen Rückzieher machen wollen, doch dann nickte er leicht und griff wortlos nach seiner Jacke.
    Nein, einfach würde es ganz sicher nicht werden, aber Vincent war sicher, dass er die richtige Entscheidung gefällt hatte.

Es war nicht weit bis zum Pub, den Vincent ausgesucht hatte. Der Laden war klein, gemütlich und so typisch Englisch, dass man sich fast ins letzte Jahrhundert zurückversetzt fühlte. Vincent bestellte für sie beide, und dann suchten sie sich einen Platz am Fenster. Es war ein kleiner Tisch, etwas abseits des ständigen Gemurmels in der Bar. Kiras Blick schweifte durch die Bar.
    „Es sieht fast wie in Tokyo aus“, bemerkte er und nahm einen kleinen Schluck von seinem Bier. Vincents Erstaunen ließ ihn schmunzeln.
    „Du weißt nicht wirklich viel über meine Heimat, nicht wahr?“
    Die angespannte Stimmung von vorhin schien verflogen zu sein, und Vincent, überaus dankbar dafür, musste das Offensichtliche zugeben.
    „Ich gebe zu, dass ich mich für Japan nie interessiert habe, erst ... wegen des Interviews habe ich anfangen, mich mit Kabuki zu beschäftigen.“
    Kiras Augen wirkten fast schwarz in der schummrigen Beleuchtung, als er die Lippen schürzte und dann noch einen weiteren Schluck nahm.
    „Das habe ich bemerkt“, erwiderte er ein wenig spitz, aber Vincent merkte, dass er es nicht böse meinte. Eigentlich war die Stimmung perfekt, um nun auf das eigentliche Thema zu kommen, aber Vincent wollte kein Anfang einfallen. Wie er das Gespräch beginnen sollte, war ihm nicht klar, und noch weniger, wie er seine aufgewühlten Gefühle in Worte fassen sollte. Doch Kira nahm ihm diese Entscheidung ab.
    „Erzähl mir etwas von dir“, forderte er sanft und lehnte sich zurück.
    „Von mir?“ Damit hatte Vincent nicht gerechnet, und so versuchte er etwas Zeit zu schinden. „Was genau?“
    „Über dich, deine Familie, Freunde. Alles, von dem du einem Fremden nicht berichten würdest.“
    Vincent befand, dass es ziemlich viel war, was Kira wissen wollte. Auf der anderen Seite war Vincents Leben nicht so aufregend, dass er sich wegen etwas hätte genieren müssen, und so begann er zu berichten. Es fiel ihm nicht schwer, aber es war seltsam, so viele Details aus seinem Leben preiszugeben, wie zum Beispiel, dass seine Eltern geschieden waren. Vincent hatte es nicht wirklich belastet, denn er war schon älter gewesen, aber hier vor Kira über geteilte Wochenenden, verkorkste Beziehungen, den eher zwangsweise ergriffenen Job als Journalist und die damit verbundenen finanziellen Probleme zu sprechen, war nicht ganz so einfach, wie Vincent sich vorgestellt hatte. Mit jedem Wort, das er sprach, hatte er das Gefühl ein weiteres schützendes Kleidungsstück zu verlieren, bis ihm klar wurde, wie sich Kira gefühlt haben musste, als Vincent versucht hatte, ihm genau diese persönlichen Dinge zu entlocken. Das Bier war schon fast ausgetrunken, als Vincent endlich fertig war.
    „Also wolltest du gar kein richtiger Journalist werden, sondern bist es nur geworden, um von etwas zu leben“, stellte Kira fest. So direkt ausgesprochen hörte es sich für Vincent an, als sei er ein Versager.
    „Falls du mit richtiger Journalist meinst, dass ich es nicht studiert habe, dann stimme ich dir zu“, antwortete er daher und trank einen großen Schluck Bier, um seine Kehle zu befeuchten. Zu seinem Glück entschied sich Kira, nicht weiter in Vincents schriftstellerischer Wunde zu bohren.
    „Und Gabriel? Du hast ihn nicht erwähnt.“
    Vincent spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht schoss. Kira beugte sich nach vorn. Er stellte den Ellbogen an die dunkle Tischplatte und bettete das Kinn in seine

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