EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
werden lassen, seine Reaktionszeit um ein Vielfaches verbessern, seine Sauerstoffzufuhr erhöhen, seine Sinnesfunktionen schärfen sowie seine Nerven regenerieren. Dieses Mal zumindest war es so geplant. Beim letzten Mal hatte es Kathy und ihn heroinabhängig gemacht, ihm dazu noch eine gehörige Amnesie verpasst. Die CIA hatte sie als Versuchskaninchen benutzt. Als Versuchskaninchen für Generaloberst Kasakov.
Eisenheim brauchte jetzt einen Kick und er konnte sich schlecht das weiße Pulver durch die Nase ziehen, das er zusätzlich in seinen Overall geschmuggelt hatte. Er war kurz davor, sich von einem ihm komplett fremden Land in ein anderes, ihm altvertrautes Land durchzukämpfen. Er hatte keine Erinnerung mehr an Russland. Viel weniger hatte er Ahnung davon, sich über zweihundert Kilometer nur anhand eines Kompasses bis nach Murmansk durch die russische Wildnis zu schlagen.
Eisenheim zog eine kleine Blutampulle sowie die Injektionspistole aus seiner Overalltasche hervor, schob die Ampulle in die Ladevorrichtung der Pistole, schob den linken Ärmel seiner Schutzmontur hinauf, setzte die Injektionspistole an seinem Unterarm an und injizierte sich das Blut der ersten Ampulle. Dann nahm er die leere Ampulle aus der Injektionspistole und ließ sie klirrend zu Boden fallen. Die Pistole verstaute er rasch wieder unter der Schutzmontur in seinem Overall. Es dauerte Sekunden, dann prasselte das Feuerwerk auf seine Sinne ein.
Er hatte viel erwartet, doch die Wirkung überstieg alles zuvor Erfahrene. Er hatte gekokst und jahrelang an der Nadel gehangen. Während der Kick durch das Heroin zwar einer bewusstseinserweiternden Erfahrung glich, so war die Nebenwirkung eine Gefühllosigkeit allem gegenüber. Dieses Blut aber barg einen entscheidenden Unterschied. Eisenheim hatte das Gefühl, nicht von allem getrennt, allem gegenüber gleichgültig zu sein, sondern auf diesem bewusstseinserweiternden Trip vielmehr mit allem, was ihn umgab, verbunden zu sein. Seine Sinne saugten seine Umgebung auf. All das, was er sah, hörte, fühlte, roch und schmeckte, verband sich in ihm zu einer tiefer gefühlten Realität, in der es ihm möglich schien, mit geschlossenen Augen sehen zu können – möglich schien, alleine durch einen Blick auf sein Gegenüber, aus seiner Mimik und Körpersprache, alles, was er wissen wollte, lesen zu können.
Eisenheim war so berauscht, dass er den Gurt löste, der ihn zuvor noch in den Sitz gepresst hatte, und sich erhob. Er nahm den Helm von seinem Kopf, holte aus einem Rucksack der seitlich an seinem Sitz lehnte eine schwarze Wollmütze und zog sie sich über. Er überging den lautstarken Protest des finnischen Soldaten, der nun finnisch mit ihm sprach. Er solle sich wieder setzen. Eisenheim sah durch ihn hindurch. Da war wieder das Gatter. Es war schärfer und klarer für ihn zu sehen als je zuvor. Möglicherweise hätte er dieses Gatter vor Jahren bereits genauso klar sehen können, als Manning Kathy und ihn mit diesem Blut hatte infizieren lassen. Damals aber waren die Rezeptoren in seinem Körper möglicherweise noch nicht von den Drogen abgestumpft gewesen wie heute. Seine Sinne konnten sich nun endlich dem Wesentlichen widmen. Schmerz, körperliche Abwehrreaktionen sowie dunkle Halluzinationen schienen nun vollkommen verschwunden zu sein. Es ging nun der Essenz des Wesentlichen auf den Grund. Eisenheim legte seine Hand auf das Gatter, spürte dieses Mal die vertrauenserweckende Struktur des Holzes sowie die kleinen, von Kälte entsprungenen Risse darin. Er drückte sanft dagegen, das Gatter öffnete sich in einer ihm empfindsam leichten Weise, die einer längst überfälligen Einladung glich, diese Seite des Felsplateaus zu betreten. Eisenheim ließ nun das Gatter hinter sich, schritt zufrieden und in sich ruhend im Geiste an dem Mani-Steinhaufen mit der Lanze und den Seilen und den daran im Wind wehenden tibetischen Gebetsfahnen vorbei bis an den Rande des Felsplateaus. Er sah hinab in die Tiefe einer ihm unfassbar weiten Leere und konnte doch darin alles ganz klar erkennen. Sein Weg da unten in der Leere war vorgezeichnet. Er würde ihm folgen und Hanaa, seine Tochter, am Ende dieses Pfades finden. Forester kam ihm noch einmal in den Sinn. Er drehte sich ihm ein letztes Mal zu, griff erneut unter seine Schutzmontur, kramte etwas daraus hervor und warf es Forester zu.
Dann drehte er sich der offenen Helikoptertür zu und sprang sogleich in die Dunkelheit hinaus.
Foresters Aufschrei verstarb
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