Eisfieber - Roman
Fernseher sitzen und sahen sich einen alten Horrorfilm an. Craigs Schwester Caroline streichelte ihre weiße Ratte und tat so, als hielte sie den Film für furchtbar albern; Tom, sein kleiner Cousin, stopfte sich mit Schokolade voll und hielt sich nur mühsam wach. Sexy Sophie rauchte eine Zigarette nach der anderen und sprach kein Wort. Craig selbst fühlte sich hin und her gerissen zwischen seinem schlechten Gewissen wegen der Delle in Großvaters Ferrari und dem rastlosen Lauern auf eine Gelegenheit, Sophie zu küssen. Irgendwie war das Ambiente nicht romantisch genug – nur, wie sollte er das ändern?
Der Wodka überraschte ihn. Er hatte ihr Gerede über Cocktails für reine Angeberei gehalten, doch dann stieg sie die Leiter zu ihrem Lager im Heuboden hinauf, wo ihr Koffer stand, und kam mit einer halb vollen Flasche Smirnoff in der Hand wieder. »Wer möchte einen?«, fragte sie.
Natürlich wollten alle einen.
Als Gläser hatten sie nur Plastikbecher mit Bildchen von Pu dem Bär, Tigger und I-aah drauf. Im Kühlschrank befanden sich alkoholfreie Getränke und Eis. Tom und Caroline mixten ihren Wodka mit Coca Cola. Craig, der nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, machte es einfach Sophie nach und trank den Wodka pur mit Eis. Es schmeckte bitter, doch Craig genoss das warme Glühen in der Kehle beim Hinunterschlucken.
Der Film hatte einen Durchhänger, und Craig fragte Sophie: »Weißt du schon, was du zu Weihnachten kriegst?«
»Zwei Decks und ein Mischpult, damit ich DJ spielen kann. Und du?«
»Snowboard-Ferien. Ein paar Kumpel von mir fahren zu Ostern nach Val d’Isère, aber das ist schweineteuer. Ich hab mir das Geld dafür gewünscht. Du willst also mal DJ werden?«
»Ich glaub, das könnte ich gut.«
»Dann ist das sozusagen dein Berufswunsch?«
»Keine Ahnung.« Sophie wirkte sauer. »Was is’n deiner?«
»Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Ich wär schon ganz gerne Profi-Fußballer, aber in dem Job bist du mit Mitte dreißig am Ende – ganz abgesehen davon, dass ich vielleicht doch nicht gut genug bin. Ich könnte mir aber auch vorstellen, Wissenschaftler zu werden, so wie Großvater.«
»Bisschen öde, findest du nicht?«
»Nein, wirklich nicht! Er entdeckt fantastische neue Medikamente, ist sein eigener Boss, macht ’n Haufen Kies und fährt einen Ferrari F 50 – was ist daran öde?«
Sophie zuckte mit den Schultern. »Gegen den Wagen hätte ich nichts …« Sie kicherte. » Nur was gegen die Delle.«
Craig empfand den Schaden, den er angerichtet hatte, plötzlich als nicht mehr gar so bedrückend. Er fühlte sich angenehm entspannt und sorgenfrei und spielte sogar mit dem Gedanken, Sophie sofort und ohne Rücksicht auf die Anwesenheit der anderen zu küssen. Das Einzige, was ihn noch zurückhielt, war die Aussicht auf die Abfuhr, die Sophie ihm erteilen konnte, und das vor den Augen seiner Schwester – nein, eine solche Demütigung wollte er sich ersparen.
Nur allzu gern hätte er gewusst, was in den Köpfen der Mädchen vorging. Aber es gab niemanden, der ihm das erklärte. Sein Vater, ja, der wusste bestimmt alles, was es da zu wissen gab. Craig hatte keine Ahnung, warum, aber die Frauen schienen bloß so auf ihn zu fliegen – doch wenn er ihn fragte, lachte Hugo nur.
In einem seltenen vertrauten Augenblick mit seiner Mutter hatte Craig auch sie gefragt, was Mädchen an einem Mann anziehend fanden. »Freundlichkeit«, hatte sie gesagt, aber das war eindeutig Quatsch. Wenn Bedienungen und Verkäuferinnen auf seinen Vater reagierten, indem sie ihn anstrahlten, rot wurden und beim Gehen deutlich mit den Hüften wackelten, dann lag das doch, um Himmels willen, nicht an seiner »Freundlichkeit«! Aber woran dann?
Jeder von Craigs Freunden hatte eine todsichere Theorie über das, was er unter Sexappeal verstand – nur eben leider jeder eine andere. Einer glaubte, den Mädchen gefiele es, wenn ein Kerl den starken Macker hervorkehrte und ihnen sagte, wo ’s langging. Ein anderer meinte, man brauche sie nur zu ignorieren und schon umschwärmten sie einen wie die Mücke das Licht. Wieder andere behaupteten, Mädchen wären einzig und allein an einer sportlichen Figur, an gutem Aussehen oder an Geld interessiert.
Craig war zwar davon überzeugt, dass keiner von ihnen Recht hatte, besaß selber aber keine eigene Hypothese.
Sophie leerte ihr Glas. »Noch einen?«
Alle wollten noch einen.
Craig kam allmählich zu der Erkenntnis, dass der Film eigentlich urkomisch
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