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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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leer. Kit kannte die Marke. Sie hieß Diablerie ; seine Schwester Olga benutzte sie.
    Nigel stellte die Parfümflasche in die Vitrine. Sie beschlug sofort. »Sie haben mir gesagt, ich soll den Luftabzug anstellen«, erklärte er. »Wo ist der Schalter?«
    »Warte!«, sagte Kit. »Was tust du da? Du musst das erklären!«
    Nigel fand den Schalter und knipste ihn an. »Der Kunde will das Produkt in anwendbarer Form«, sagte er, und es klang, als übe er Geduld und Nachsicht gegenüber einem Begriffsstutzigen. »Ich fülle die Proben in die Parfümflasche um, und zwar hier unter der Sterilbank. Anderswo wäre es zu gefährlich.« Er drehte die Verschlusskappe von der Parfümflasche und öffnete die Schachtel mit den Proben. Zutage kam ein durchsichtiges Fläschchen aus Jenaer Glas mit einer weißen Skala für die Mengenangabe auf der Seite. Die Handschuhe ließen Nigels Bemühungen plump und ungeschickt erscheinen. Er schraubte den Deckel des Fläschchens ab und goss die Flüssigkeit in die Diablerie -Flasche um. Dann verschloss er das Fläschchen wieder und nahm das nächste.
    »Die Leute, denen du das verkaufst …«, stammelte Kit. »Weißt du, wofür die das Zeug haben wollen?«
    »Ich kann mir ’s vorstellen.«
    »Es wird Menschen töten – Hunderte, wenn nicht gar Tausende!«
    »Ich weiß.«
    Die Parfümflasche bot eine geradezu ideale Methode, die Viren unter die Leute zu bringen. Auf einfachste Weise konnte ein Sprühnebel erzeugt werden. Die farblose Flüssigkeit mit den Viren wirkte vollkommen harmlos und würde unbemerkt alle Sicherheitskontrollen passieren. Eine Frau konnte sie an jedem beliebigen Ort aus der Handtasche nehmen und mit Unschuldsmiene die Luft mit einem Virus verseuchen, das für alle Menschen, die es einatmeten, tödlich war. Dass sie sich auch selbst damit umbringen würde, war unter Terroristen ja nichts Besonderes. Die Zahl der Toten wäre mit Sicherheit um ein Vielfaches höher als bei jedem Bombenanschlag. Voller Entsetzen sagte Kit: »Das ist Massenmord, wovon du da sprichst!«
    »Ja.« Nigel drehte sich um und sah Kit ins Gesicht. Seine blauen Augen wirkten selbst durch die beiden Visiere noch einschüchternd. »Und du bist jetzt Mitwisser und Mittäter, also halt den Mund und stör mich nicht länger, damit ich mich konzentrieren kann.«
    Kit stöhnte. Nigel hatte Recht. Diebstahl, das war alles, woran Kit gedacht hatte, als er sich auf diesen Deal einließ, und als Daisy Susan zusammenschlug, war er entsetzt gewesen. Doch was jetzt geschah, war tausendmal schlimmer – und er, Kit, konnte nichts mehr dagegen tun. Wenn ich mich jetzt quer stelle, bringt Nigel mich vermutlich um, dachte er – und wenn der Coup misslingt und dieser mysteriöse Kunde die Viren nicht erhält, lässt Harry McGarry mich um die Ecke bringen, weil ich meine Schulden nicht bezahlen kann … Ich muss bis zum bitteren Ende mitmachen und dann meinen Lohn einstreichen – sonst bin ich ein toter Mann.
    Und wenn Nigel nicht aufpasst und beim Umfüllen der Proben schlampt, sterbe ich noch früher.
    Die Arme unter die Sterilbank gesteckt, füllte Nigel den Inhalt aller Probenfläschchen in die Parfümflasche um und schraubte den Zerstäuber wieder auf. Die Außenseite der Flasche war jetzt zweifellos kontaminiert – doch das schien irgendjemand auch Nigel klar gemacht zu haben, denn er steckte die Flasche in das mit Dekontaminierungsflüssigkeit gefüllte Durchreichegefäß und holte sie dann auf der anderen Seite wieder heraus. Er trocknete sie ab, nahm zwei verschließbare Plastiktüten aus der Aktenmappe, steckte die Flasche in die eine Tüte, verschloss sie und stülpte die zweite Tüte darüber. Schließlich deponierte er die doppelt verpackte Flasche wieder in der Aktenmappe und ließ das Schnappschloss einrasten.
    »Fertig«, sagte er.
    Nigel trug die Mappe, als sie das Labor verließen. Sie gingen durch die Dekontaminierungsdusche, ohne sie zu benutzen – dazu blieb keine Zeit. Im anschließenden Raum stiegen sie aus den klobigen Schutzanzügen und zogen ihre Schuhe wieder an. Kit hielt gebührenden Abstand von Nigels Schutzanzug, denn zumindest die Handschuhe waren garantiert mit den Spuren des Virus kontaminiert.
    Auch den normalen Duschraum durchquerten sie, ohne ihn zu benutzen. Im Flur vor dem Umkleideraum saßen die vier Werkschutzleute gefesselt an die Wand gelehnt.
    Kit warf einen Blick auf seine Uhr. Dreißig Minuten waren vergangen, seit er Toni Gallos Telefongespräch mit Steve belauscht

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