Eisfieber - Roman
Wege zum BSL - 4 -Labor, schob ihre Chipkarte durch das Lesegerät, hielt ihre Fingerspitze auf den Scanner und betrat den Raum.
Da waren sie: Steve, Susan, Don und Stu, alle vier nebeneinander mit gefesselten Händen und Füßen an der Wand lehnend. Susan sah aus, als wäre sie gegen einen Baum gerannt: Ihre Nase war dick angeschwollen, Blutflecken bedeckten Kinn und Brust. Don hatte eine üble Schürfwunde an der Stirn.
Toni kniete nieder und begann, die vier loszubinden.
»Was ist hier passiert?«, fragte sie.
01.30 Uhr
Der Lieferwagen der Hibernian Telecom pflügte durch dreißig Zentimeter hohen Schnee. Elton fuhr höchstens zwanzig Stundenkilometer, allerdings untertourig, um die Schleudergefahr zu verringern. Dicke Schneeflocken trieben in Schwaden gegen die Windschutzscheibe und sammelten sich an deren unterem Rand in zwei rasch wachsenden, keilförmigen Flächen, sodass der Bogen, den die Scheibenwischer freihielten, immer kleiner wurde. Schließlich konnte Elton fast nichts mehr sehen und musste anhalten, um den Schnee zu entfernen.
Kit war zutiefst verzweifelt. Er hatte sich vorgestellt, an einem raffinierten Diebstahl beteiligt zu sein, bei dem niemand wirklich zu Schaden kam. Oxenford Medical hätte dabei zwar Geld verloren, doch andererseits hätte er, Kit, seine Schulden bei Harry Mac bezahlen können – eine Summe, für deren Begleichung eigentlich ohnehin sein Vater zuständig gewesen wäre, sodass im Grunde nicht einmal echtes Unrecht geschah. Aber die Wahrheit sah ganz anders aus. Wer Madoba - 2 -Viren kaufte, konnte nur einen einzigen Grund haben: Er wollte viele, viele Menschen umbringen. Dass er einmal eine solche Schuld auf sich laden könne, hätte Kit sich nie träumen lassen.
Er fragte sich, wer Nigels Kunde war oder wem er zuarbeitete: japanischen Fanatikern, muslimischen Fundamentalisten, einer Splittergruppe der IRA , palästinensischen Selbstmordattentätern oder einer Gruppe von paranoiden Amerikanern mit Schnellfeuerwaffen, die irgendwo in den Bergen Montanas in abgelegenen Blockhäusern hausten? Die Antwort war im Grunde gleichgültig: Wer immer die Viren kaufte, würde sie auch freisetzen, und unzählige Menschen würden elend krepieren, während ihnen das Blut aus den Augenhöhlen lief. Aber was kann ich tun, fragte sich Kit. Wenn ich versuche, das Geschehene ungeschehen zu machen und die Proben wieder ins Labor zurückzubringen, wird Nigel mich töten – oder es Daisy überlassen. Kit erwog, aus dem fahrenden Wagen zu springen. Langsam genug fuhr er ja. Vielleicht kann ich in diesem Schneesturm tatsächlich entkommen, ohne dass sie mich finden. Aber die Viren haben sie trotzdem, und die viertel Million Schulden bei Harry werde ich auch nicht los …
Nein, es blieb ihm nichts anderes übrig: Er musste die Sache bis zum bitteren Ende durchstehen. Vielleicht kann ich ja, wenn alles vorbei ist, Nigel und Daisy anonym anzeigen. Dann besteht vielleicht noch die Hoffnung, dass das Virus aufgespürt wird, bevor es Schaden anrichten kann … Oder ist es klüger, bei meinem ursprünglichen Plan zu bleiben und einfach abzuhauen? Kein Mensch wird auf die Idee kommen, ausgerechnet Lucca zum Ursprungsort einer todbringenden Seuche zu wählen.
Vielleicht, dachte er fatalistisch, werden die Viren ja in dem Flugzeug freigesetzt, mit dem ich nach Italien fliege … Dann müsste ich selber als einer der Ersten dran glauben – das wäre dann wahre Gerechtigkeit …
Vor ihnen am Straßenrand schimmerte ein beleuchtetes Reklameschild mit der Aufschrift »Dew Drop Motel« aus dem Schneesturm. Elton bog von der Straße ab. Über der Eingangstür brannte Licht, und auf dem Parkplatz standen acht oder neun Autos. Das Motel hatte geöffnet. Kit fragte sich, wer Weihnachten in einem Motel verbringen mochte. Hindus vielleicht oder Vertreter, die es nicht mehr nach Hause geschafft hatten. Oder Liebespaare, die ihr Verhältnis geheim halten mussten.
Elton hielt direkt neben einem Vauxhall Astra Kombi. »Wir halten uns an unseren Plan und lassen das Telecom-Fahrzeug hier«, sagte er. »Es ist zu leicht zu erkennen. Eigentlich soll uns dieser Astra hier zum Flugfeld bringen. Die Frage ist nur, ob er und wir das schaffen.«
Vom Rücksitz her fragte Daisy: »Wieso hast du keinen Landrover genommen, du blödes Arschloch?«
»Weil der Vauxhall Astra einer der am weitesten verbreiteten und am wenigsten auffälligen Wagen in Großbritannien ist und weil es in der
Weitere Kostenlose Bücher