Eisfieber - Roman
sagte Craig. »Wahrscheinlich liegt sie unter ihr.«
Sie traten näher. »Ich habe noch nie eine Leiche gesehen«, sagte Sophie.
»Ich hab Oma Marta gesehen, als sie aufgebahrt war.«
»Ich möchte ihr Gesicht sehen.« Sophie ließ Craigs Hand los, kniete sich auf den Boden und streckte die Hand nach dem blutbefleckten Körper aus.
Da hob Daisy unerwartet und schnell wie eine Schlange den Kopf, packte Sophie am Handgelenk und zog ihren rechten Arm unter ihrem Körper hervor. In der Hand hielt sie die Pistole.
Sophie schrie vor Entsetzen auf.
Craig fühlte sich wie vom Blitz getroffen. »Hilfe!«, brüllte er und fuhr ein, zwei Schritte zurück.
Daisy rammte die Mündung der kleinen grauen Pistole in Sophies Hals. »Hier geblieben, Bürschchen!«, schrie sie.
Craig blieb wie angewurzelt stehen.
Daisy sah aus, als trüge sie eine Mütze aus Blut. Eines ihrer Ohren war beinahe gänzlich abgerissen und baumelte an einem schmalen Streifen Haut, was ziemlich grotesk aussah. Doch ihr Gesicht war völlig unversehrt, wenn auch von blankem Hass verzerrt. »Für das, was du mir angetan hast, sollte ich ihr in den Bauch schießen und dich zusehen lassen, wie sie vor Schmerzen brüllt und langsam verblutet!«
Craig zitterte vor Entsetzen am ganzen Leib.
»Aber ich brauche deine Hilfe«, fuhr Daisy fort. »Wenn du willst, dass deine kleine Freundin am Leben bleibt, dann tust du jetzt genau, was ich dir sage, und zwar auf der Stelle. Einmal gezögert, und sie ist tot.«
Craig spürte, dass sie es bitterernst meinte.
»Komm her!«, befahl Daisy.
Ihm blieb keine Wahl. Er trat näher.
»Auf die Knie!«
Craig kniete sich neben sie in den Schnee.
Daisys hasserfüllter Blick richtete sich auf Sophie: »Jetzt lass ich gleich deinen Arm los, du kleine Nutte, aber wenn du versuchst abzuhauen, knall ich dich ab, und zwar mit Vergnügen.« Sie gab Sophies Arm frei, drückte ihr die Pistole jedoch weiterhin fest gegen den Hals. Dann legte sie ihren linken Arm um Craigs Schultern. »Halt mein Handgelenk, Bürschchen!«, befahl sie.
Craig packte Daisys Handgelenk, das über seine Schulter baumelte.
»Jetzt du, Kleine. Unter meinen rechten Arm.«
Sophie veränderte ihre Position langsam, und Daisy legte ihr den rechten Arm über die Schultern. Dabei schaffte sie es irgendwie, Sophies Kopf ununterbrochen mit der Pistole zu bedrohen.
»So, jetzt hebt mich hoch und tragt mich zum Haus! Aber vorsichtig! Ich glaube, mein rechtes Bein ist gebrochen. Wenn ihr mich zu sehr durchrüttelt, dann könnte mir das wehtun. Und wenn ich zusammenzucke, löst sich vielleicht versehentlich ein Schuss … Also seid vorsichtig. Und jetzt hoch.«
Craig verstärkte seinen Griff um Daisys Handgelenk und erhob sich langsam aus seiner knienden Position. Damit die Last für Sophie leichter wurde, legte er seinen rechten Arm um Daisys Taille und trug auf diese Weise den Großteil ihres Gewichts. Langsam richteten sie sich auf.
Daisy keuchte vor Schmerzen, und ihr Gesicht war ebenso weiß wie der Schnee um sie herum, doch als Craig einen Blick zur Seite riskierte, merkte er, dass sie ihn genauestens im Auge behielt.
Kaum standen sie alle aufrecht da, befahl Daisy: »Vorwärts! Aber schön langsam!«
Sie setzten sich vorsichtig in Marsch. Daisys Beine schleiften über den Schnee.
»Ich wette, ihr zwei habt euch die ganze Nacht irgendwo versteckt«, sagte Daisy. »Was habt ihr denn getrieben, he?«
Craig gab keine Antwort. Es war ihm unbegreiflich, dass sie in ihrem Zustand noch genügend Luft und Bosheit übrig hatte, ihn und Sophie zu beschimpfen.
»Na, los, raus mit der Sprache, Bürschchen!«, höhnte sie. »Ich wette, du hast ihr den Finger in die kleine Möse geschoben, du dreckiges kleines Schwein.«
Craig fühlte sich bei diesen Worten tatsächlich schmutzig: Daisy zog das wunderbare, unbelastete Erlebnis mit Sophie in den Dreck und verdarb ihm eine herrliche Erinnerung. Sein Hass auf Daisy stieg ins Unermessliche, und er hätte sie am liebsten in den Schnee fallen und liegen lassen – aber das ging nicht, denn sie hätte mit Sicherheit sofort abgedrückt.
»Moment!«, herrschte Daisy sie an. »Halt!« Sie blieben stehen, und sie verlagerte ihr Gewicht teilweise auf ihr linkes Bein, das nicht verletzt war.
Craig betrachtete ihr schreckliches Gesicht. Die schwarz umrandeten Augen waren vor Schmerz geschlossen: »Wir machen eine Minute Pause, dann geht’s weiter.«
Toni trat aus der Scheune, wohl wissend, dass man sie nun sehen
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