Eisfieber - Roman
bekommen, doch sie wusste, dass er Nigel hieß, denn Kit hatte im Flur nach ihm gerufen.
In Toni selbst lagen Angst und eine Art gespannter Erregung im Widerstreit. Angst hatte sie, weil sie wusste, dass sie es mit Profis zu tun hatte, die sie, wenn sie es für notwendig hielten, ohne Bedenken töten würden und die obendrein im Besitz der tödlichen Viren waren. Die Spannung rührte daher, dass sie selber auch ganz gut austeilen konnte und durchaus eine Chance sah, die Bande außer Gefecht zu setzen und sich damit zu rehabilitieren.
Die Frage war nur: Wie sollte sie das schaffen? Am besten war es nach wie vor, Hilfe zu holen, aber sie hatte weder ein Telefon noch ein Auto zur Verfügung. Der Hausanschluss des Telefons war gekappt worden, vermutlich von den Gangstern, und sicher hatten sie auch alle Handys an sich genommen, deren sie habhaft werden konnten. Wie sah es mit den Autos aus? Vor dem Haus parkten zwei, und in der Garage musste mindestens noch ein weiteres stehen. Aber Toni hatte keine Ahnung, wo sich die jeweiligen Schlüssel dazu befanden.
Das hieß, dass sie die Diebe auf eigene Faust unschädlich machen musste.
Die Szene im Hof, die sie beobachtet hatte, fiel ihr wieder ein. Es war offenbar Daisys und Eltons Aufgabe, die diversen Familienmitglieder einzusammeln. Doch sexy Sophie war ihnen entwischt, und Daisy versuchte, sie wieder einzufangen. Kurz darauf hatte sie beunruhigende Geräusche gehört – einen Automotor, das Bersten von Glas, Schüsse. Sie kamen offenbar von jenseits der Garage, doch Toni konnte nicht sehen, was vor sich ging, und nachforschen wollte sie nicht, weil sie dazu ihr Versteck hätte verlassen müssen. Wenn sie selbst gefangen würde, war alle Hoffnung umsonst.
Sie fragte sich, ob außer ihr und Sophie sonst noch jemand auf freiem Fuße war. Die Bande stand unter Zeitdruck und musste bald aufbrechen, denn es gab ja dieses Treffen um zehn Uhr. Doch bevor sie türmte, musste sie die ganze Familie unter Kontrolle haben, damit niemand die Polizei rufen konnte.
Vielleicht gerieten die Gangster ja in Panik und machten Fehler – Toni hoffte es jedenfalls inständig, denn ihre eigenen Karten sahen verdammt schlecht aus. Sie konnte es nicht mit vier gewaltbereiten Personen gleichzeitig aufnehmen, umso weniger, als drei von ihnen bewaffnet waren. Es handelte sich laut Steve um dreizehnschüssige automatische Pistolen vom Typ Browning. Ich habe nur dann eine Chance, dachte Toni, wenn ich die Typen einen nach dem anderen ausschalten kann.
Wo sollte sie anfangen? Irgendwann würde ihr nichts anderes übrig bleiben, als ins Hauptgebäude zu gehen. Es war einem glücklichen Zufall zu verdanken, dass sie wenigstens die Raumaufteilung kannte: Erst gestern hatte Stanley sie durchs Haus geführt. Aber welcher von den Gangstern sich wo aufhielt, wusste sie nicht, und es auf gut Glück zu probieren war ihr zu riskant. Vorher brauchte sie unbedingt noch mehr Informationen.
Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg, als ihr die Initiative plötzlich aus der Hand genommen wurde. Elton verließ das Haus, überquerte den Hof und kam direkt auf die Scheune zu.
Er war jünger als Toni, vermutlich um die fünfundzwanzig Jahre alt, ein großer, durchtrainierter Mann, wie es aussah. In der rechten Hand hielt er eine Pistole, den Lauf nach unten gerichtet. Dass Toni im Nahkampf ausgebildet war, hinderte sie nicht an der Erkenntnis, dass Elton auch ohne die Pistole ein formidabler Gegner wäre. Mit ihm in den Clinch zu geraten, wollte sie nach Möglichkeit vermeiden.
Die Angst gewann die Oberhand, und sie sah sich in der Scheune um. Es gab weit und breit kein Versteck, das sich angeboten hätte. Aber was hätte es auch gebracht?
Ich muss mich der Bande so oder so stellen, dachte sie, je früher, desto besser. Der Bursche da sucht mich, und er kommt allein, weil er sich anscheinend einbildet, allein mit mir fertig zu werden, zumal ich ja bloß eine Frau bin. Vielleicht ist genau das sein entscheidender Fehler …
Aber ich habe keine Waffe.
Ihr blieben noch wenige Sekunden, sich nach einer umzusehen. Eilig überflog sie die Gegenstände in ihrer Reichweite. Ein Billardqueue? Nein, viel zu leicht. Ein Schlag damit konnte zwar höllisch wehtun, aber niederstrecken konnte man einen Mann damit nicht, geschweige denn bewusstlos schlagen.
Billardkugeln waren da schon viel gefährlicher: schwer, solide und hart. Toni steckte zwei davon in ihre Jeanstaschen.
Wenn ich nur eine Pistole hätte, dachte sie
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