Eisfieber - Roman
Küchentisch lag. Einer spontanen Eingebung folgend, nahm er das Fläschchen vom Tisch und stopfte es sich in die Jackentasche.
Dann ging er hinaus.
Toni linste um die Hausecke und sah Kit aus der Hintertür kommen. Er ging in die entgegengesetzte Richtung, zur Frontseite des Hauses. Toni folgte ihm und sah, wie er den grünen Mercedes-Kombi aufschloss.
Ihre Chance war gekommen.
Sie zog Eltons Pistole aus dem Hosenbund und entsicherte sie. Im Griff befand sich ein volles Magazin, das hatte sie bereits überprüft. Sie hielt die Waffe nach oben gerichtet, genau so, wie sie es im Schießtraining gelernt hatte.
Sie atmete langsam und ruhig. Sie wusste, wie man sich in solchen Situationen verhielt. Zwar schlug ihr das Herz bis zum Hals, doch ihre Hände zitterten nicht. Sie rannte ins Haus.
Die Hintertür führte in einen kleinen Vorraum, der unmittelbar an die Küche anschloss. Toni riss die Küchentür auf und stürmte hinein. Nigel stand am Fenster und sah hinaus.
»Keine Bewegung!«, schrie Toni.
Nigel fuhr herum.
Sie zielte auf ihn. »Hände hoch!«
Er zögerte.
Die Konturen seiner Pistole zeichneten sich in seiner Hosentasche ab – Toni erkannte, dass die Ausbuchtung in Größe und Form zu jener Waffe passte, die sie selbst in den Händen hielt. »Pfoten weg!«, sagte sie vorbeugend. »Versuchen Sie es gar nicht erst!«
Langsam hob er die Hände.
»Auf den Boden! Gesicht nach unten! Schnell!«
Er kniete nieder, die Hände noch immer erhoben. Dann legte er sich mit gespreizten Armen auf den Boden.
Toni musste ihn entwaffnen. Sie beugte sich über ihn, nahm ihre eigene Pistole in die linke Hand und stieß ihm den Lauf in den Nacken. »Meine Knarre ist entsichert, und ich bin ziemlich nervös«, sagte sie, ging in die Knie und steckte die Hand in seine Hosentasche.
Nigel reagierte blitzschnell.
Er rollte sich herum und traf sie mit seinem rechten Arm. Toni war bereit abzudrücken, zögerte aber den Bruchteil einer Sekunde – und schon war es zu spät. Nigels Attacke warf sie aus dem Gleichgewicht, und sie kippte zur Seite. Um den Sturz abzufangen, stützte sie sich mit der flachen Linken auf den Fußboden – und ließ dabei die Pistole fallen.
Er trat nach ihr und traf sie dabei an der Hüfte, doch Toni fing sich, rappelte sich auf und stand schon wieder, bevor er auf die Füße kam. Nigel war noch auf den Knien, als ihn ihr Tritt traf. Er presste unwillkürlich eine Hand auf die getroffene Wange und fiel nach hinten, erholte sich aber schnell von dem Schlag. Er sah sie an, und sein Blick war voller Hass und Wut, als wäre er aufs Höchste empört darüber, dass Toni es wagte, sich zu wehren.
Toni hob die Pistole auf und zielte auf ihn. Nigel erstarrte in seiner Bewegung.
»Zweiter Versuch«, sagte sie. »Diesmal ziehen Sie die Waffe selber raus. Und zwar langsam.«
Er fasste in seine Tasche.
Toni streckte den rechten Arm mit der Pistole aus. »Und jetzt liefern Sie mir bitte eine gute Ausrede, Ihnen das Hirn wegzublasen.«
Nigel zog die Pistole aus seiner Hosentasche.
»Lassen Sie sie auf den Boden fallen.«
Er grinste. »Haben Sie schon mal auf einen Menschen geschossen?«
»Fallen lassen – sofort!«
»Ich glaube nicht, dass Sie das schon mal getan haben …«
Es stimmte. Toni wusste zwar, wie man mit Waffen umging, und hatte sogar schon verschiedene bewaffnete Einsätze hinter sich, doch wirklich geschossen hatte sie bisher nur auf Pappkameraden. Allein schon die Vorstellung, einem Menschen ein Loch in den Körper zu schießen, war ihr ein Gräuel.
»Sie werden nicht auf mich schießen«, sagte Nigel.
»In einer Sekunde wissen Sie Bescheid«, erwiderte sie.
In diesem Moment kam, mit dem Welpen auf dem Arm, ihre Mutter in die Küche. »Das arme Hundchen hat noch gar kein Frühstück gehabt«, sagte sie.
Nigel hob seine Waffe.
Toni schoss ihn in die rechte Schulter.
Sie stand nur zwei, drei Schritt von ihm entfernt und war eine gute Schützin, weshalb es ein Leichtes für sie war, ihn genau an der richtigen Stelle zu verwunden. Sie drückte zweimal ab, genau wie sie es gelernt hatte. Der zweifache Knall in der Küche war ohrenbetäubend. Der pinkfarbene Pullover zeigte an der Stelle, wo Arm und Schulter zusammentrafen, zwei runde Löcher nebeneinander. Nigel schrie vor Schmerzen auf und taumelte rückwärts gegen den Kühlschrank. Seine Pistole fiel auf den Boden.
Toni war entsetzt, hatte sie es doch noch bis eben für unmöglich gehalten, auf einen Menschen schießen zu
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