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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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können. Es war widerwärtig; sie kam sich vor wie ein Ungeheuer. Ihr wurde schlecht.
    »Drecksnutte!«, kreischte Nigel. »Verdammte Drecksnutte!«
    Seine Verwünschungen wirkten wie Zaubersprüche: Toni fasste sich sofort wieder. »Sie können heilfroh sein, dass ich Ihnen nicht in den Bauch geschossen habe«, sagte sie. »Runter jetzt!«
    Eine Hand auf seine Wunde gepresst, ließ sich Nigel auf den Boden sacken und rollte sich auf den Bauch.
    »Ich setz mal Teewasser auf«, sagte Tonis Mutter.
    Toni hob die Pistole auf, die Nigel fallen gelassen hatte, sicherte sie und steckte beide Waffen in den Bund ihrer Jeans. Dann öffnete sie die Tür zur Speisekammer.
    »Was ist passiert?«, fragte Stanley. »Ist jemand getroffen worden?«
    »Ja, Nigel«, erwiderte Toni ruhig, nahm eine Küchenschere aus dem Messerblock und schnitt die Wäscheleine durch, mit der Stanley an Händen und Füßen gefesselt war. Kaum war er frei, nahm er sie in die Arme und drückte sie fest an sich. »Ich danke Ihnen«, murmelte er ihr ins Ohr.
    Toni schloss erleichtert die Augen. Der Albtraum der vergangenen Stunden hatte seine Gefühle nicht geändert. Eine kostbare Sekunde lang erwiderte sie die Umarmung und wünschte von Herzen, sie könne den Augenblick verlängern. Dann reichte sie ihm die Schere und sagte: »Befreien Sie die anderen.« Sie zog eine Pistole aus ihrem Hosenbund. »Kit ist irgendwo in der Nähe. Er muss die Schüsse gehört haben. Ist er bewaffnet?«
    »Das glaub ich nicht«, erwiderte Stanley zu Tonis Erleichterung. Das vereinfachte die Sache.
    Olga meldete sich zu Wort: »Jetzt lasst uns doch bitte aus diesem bitterkalten Raum raus!«
    Stanley drehte sich zu ihr um und wollte ihr gerade die Fesseln durchschneiden, als plötzlich Kits Stimme erklang.
    »Keine Bewegung!«
    Toni fuhr herum und richtete die Pistole auf ihn. Kit stand in der offenen Tür. Nein, eine Pistole hatte er nicht – aber er hielt einen einfachen Parfümzerstäuber aus Glas in der Hand wie eine Waffe. Toni kannte die Flasche: Es war dieselbe, die sie auf dem Werkschutzvideo gesehen hatte, als sie mit Madoba - 2 gefüllt wurde.
    »Hier sind die Viren drin. Einmal gesprüht, und es ist aus mit euch.«
    Wie zu Salzsäulen erstarrt, blieben alle stehen.
     
    Kit starrte Toni an. Die Pistole war immer noch auf ihn gerichtet, während er ihr das Spray entgegenhielt. »Wenn Sie mich erschießen, lass ich die Flasche fallen. Dann zerbricht das Glas auf den Fliesen«, sagte er.
    »Wenn Sie uns mit dem Zeug einsprühen, bringen Sie sich auch selber um«, antwortete Toni
    »Dann sterbe ich eben«, gab er zurück. »Es ist mir inzwischen völlig egal. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt, auf diesen einen Coup. Ich hab den Plan ausgearbeitet, meine Familie verraten und mich auf eine Verschwörung zur Ermordung Hunderter, vielleicht sogar Tausender von Menschen eingelassen. Und nun soll ich aufgeben? Lieber sterbe ich.« Ihm fiel auf, dass er die absolute Wahrheit gesagt hatte. Selbst das Geld hatte mittlerweile seine Bedeutung verloren – er wollte nur noch gewinnen.
    »Wie konnte es nur so weit kommen, Kit?«, fragte Stanley.
    Kit sah seinem Vater in die Augen. Er erkannte Wut in seinem Blick, genau wie erwartet, aber auch tiefen Kummer. Es war der gleiche Blick wie damals, als Mamma Marta gestorben war. Pech für dich, dachte Kit zornig, das hast du dir ganz allein zuzuschreiben. »Für Entschuldigungen ist es jetzt zu spät«, erklärte er barsch.
    »Ich hatte nicht die Absicht, mich zu entschuldigen«, erwiderte Stanley traurig.
    Jetzt erst entdeckte Kit Nigel, der auf dem Boden saß und sich mit der linken Hand seine blutende rechte Schulter hielt. Damit war klar, was es mit den beiden Schüssen auf sich hatte. Als sie fielen, hatte er sich entschlossen, das virenhaltige Spray als Waffe einzusetzen, und war ins Haus zurückgekehrt.
    Nigel rappelte sich auf. »Verdammte Scheiße, das tut vielleicht weh«, sagte er.
    »Her mit den Pistolen, Toni!«, sagte Kit. »Und zwar ein bisschen plötzlich, sonst macht’s pffffffff …«
    Toni zögerte.
    »Ich glaube, er meint es ernst«, sagte Stanley.
    »Auf den Tisch damit«, forderte Kit.
    Toni legte die beiden Pistolen auf den Tisch, gleich neben die Aktentasche, in der die Parfümflasche transportiert worden war.
    »Nimm sie an dich, Nigel«, sagte Kit.
    Nigel nahm die eine der beiden Pistolen mit der Linken auf und steckte sie in seine Hosentasche. Dann nahm er die zweite, hob sie hoch – und schlug sie

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