Eisfieber - Roman
Interesse von Industriespionen erregen. Sie, Toni, solle sich um diese Angelegenheit kümmern. Dass es ihr allererster Auftrag war, hatte sie ihm verschwiegen.
Nachdem sie zunächst das Firmengebäude nach Abhöranlagen durchkämmt hatte, begann sie sich dafür zu interessieren, ob von den wichtigsten Mitarbeitern jemand über seine Verhältnisse lebte. Einem Spion kam sie dabei nicht auf die Spur – aber einem Dieb. Sie war entsetzt, als sie entdeckte, dass ausgerechnet Stanleys Sohn Kit die Firma systematisch bestahl.
Was für ein Schock! Sie hatte Kit für einen charmanten Filou gehalten, hätte ihm aber niemals zugetraut, dass er seinen eigenen Vater hinterging. »Der Alte kann sich das leisten, er hat ja genug«, hatte Kit gleichgültig gesagt. Aus ihren Jahren bei der Polizei wusste Toni, dass Bosheit keinen Tiefgang hatte – Kriminelle waren ganz einfach oberflächliche, geldgierige Menschen mit fadenscheinigen Ausreden.
Kit hatte versucht, sie davon zu überzeugen, dass es das Beste wäre, die ganze Affäre auf sich beruhen zu lassen. Es würde nie wieder vorkommen, versprach er, wenn Toni nur diesmal den Mund hielte. Sie hatte ernsthaft darüber nachgedacht. Es war schließlich kein Vergnügen, einem erst kürzlich verwitweten Mann mitteilen zu müssen, dass sein Sohn nichts taugte. Andererseits wäre es unehrenhaft gewesen, ihm die Wahrheit vorzuenthalten.
Daher war sie nach längerem Zögern doch zu Stanley gegangen und hatte ihm voller Bangen alles erzählt.
Seine Miene würde sie nie vergessen. Er war leichenblass geworden, hatte das Gesicht verzogen und dabei gestöhnt, als hätte ihn plötzlich ein innerer Schmerz überfallen. In diesem Augenblick, da Stanley Oxenford sich alle Mühe gab zu verbergen, wie tief ihn die Nachricht getroffen hatte, war Toni bewusst geworden, dass seine innere Kraft ebenso groß war wie seine Empfindsamkeit.
Die Entscheidung, ihm die Wahrheit zu sagen, war richtig gewesen, und ihre Aufrichtigkeit war belohnt worden. Stanley hatte Kit entlassen und Toni eine feste Anstellung gegeben. Für sie war daher klar, dass sie ihm immer währende Loyalität schuldete, komme, was da wolle. Sie war fest entschlossen, das Vertrauen, das er in sie setzte, voll und ganz zu rechtfertigen.
Ihre Lebensumstände verbesserten sich. Stanley Oxenford beförderte sie schon bald von der Sicherheitsbeauftragten zur Abteilungsleiterin und erhöhte ihre Bezüge. Toni kaufte sich einen roten Porsche.
Als sie eines Tages erwähnte, dass sie im Squashteam des britischen Polizeisportverbands gespielt hatte, forderte Stanley sie zu einem Spiel in der firmeneigenen Sporthalle auf. Toni gewann – aber nur knapp. Von nun an spielten sie regelmäßig jede Woche. Stanley Oxenford war durchtrainiert und hatte eine größere Reichweite – doch Toni war zwanzig Jahre jünger und reaktionsschneller. Wenn ihre Konzentration nachließ, konnte es schon mal passieren, dass er ihr einen Satz abnahm, aber normalerweise gewann sie das Spiel am Ende dann doch.
Und sie lernte ihn besser kennen. Er spielte sehr raffiniert und ging nicht selten Risiken ein, die sich am Ende auszahlten; war durchaus ehrgeizig, konnte aber auch verlieren, ohne aus der Rolle zu fallen. Dank ihrer raschen Auffassungsgabe war Toni ihm auch intellektuell gewachsen, und ihre Wortgefechte machten ihr großen Spaß. Je besser sie Stanley Oxenford kennen lernte, desto besser gefiel er ihr. Bis ihr eines Tages klar wurde, dass sie ihn nicht einfach nur mochte. Es war mehr als das.
Jetzt hatte sie das Gefühl, das Schlimmste, was ihr beim Verlust ihres Arbeitsplatzes drohte, sei der Umstand, dass sie ihn dann nicht mehr sehen würde.
Sie war gerade im Begriff, in die Große Halle zu gehen und sich auf dem Weg dorthin noch mit Stanley zu treffen, als ihr Telefon klingelte.
Eine Frauenstimme mit südenglischem Akzent sagte: »Hallo, hier ist Odette.«
»Hallo!« Toni freute sich über den Anruf. Odette Cressy war Kommissarin bei der Londoner Polizei. Sie hatten sich vor fünf Jahren bei einer Fortbildungsveranstaltung in Hendon kennen gelernt und auf Anhieb gut verstanden. Sie waren nahezu gleichaltrig. Odette war Single, und so hatte Toni nach der Trennung von Frank schon zwei Mal mit ihr gemeinsam Urlaub gemacht. Nur die weite Entfernung zwischen ihren Wohnorten verhinderte, dass sie die besten Freundinnen waren. Sie behalfen sich damit, dass sie alle vierzehn Tage miteinander telefonierten.
»Es geht um euer Virusopfer«, sagte
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