Eisfieber - Roman
möglicherweise von einem Versuchstier gebissen, das er aus einem Labor hier gestohlen und mit nach Hause genommen hatte«, fuhr Osborne fort.
»Das darf doch nicht wahr sein!«, entfuhr es Kit. Die Sache wird ja immer schlimmer, dachte er. Hoffentlich wird dadurch nicht mein genialer Plan torpediert … Das würde ich nicht ertragen.
»Handelte Michael Ross auf eigene Faust – oder ist er Teil einer größeren Organisation, die es darauf anlegt, noch mehr Versuchstiere aus den geheimen Labors von Oxenford Medical zu befreien? Müssen wir damit rechnen, dass in absehbarer Zeit zahlreiche harmlos aussehende Hunde und Kaninchen durch unsere schöne schottische Landschaft streunen, die überall, wo sie hinkommen, dieses tödliche Virus verbreiten? Niemand hier ist bereit, diese Frage zu beantworten.«
Wie immer die offiziellen Äußerungen von Oxenford Medical ausfallen sollten, eines war Kit klar: Die Firma würde nun sofort sämtliche Sicherheitsmaßnahmen verschärfen. Man würde sowohl die Alarmanlagen als auch die Video-Überwachung gründlich überprüfen und den Werkschutz über die aktuelle Gefährdungslage informieren. Eine schlimmere Nachricht hätte es für Kit an diesem Morgen gar nicht geben können. Wut stieg in ihm auf. »Warum muss ausgerechnet ich so ein Pech haben?«, fragte er sich laut.
»Wie dem auch sei«, fuhr Carl Osborne fort, »Michael Ross starb offenbar aus Liebe zu einem Hamster namens Fluffy.« Seine Stimme klang so traurig, dass Kit schon glaubte, der Reporter würde sich gleich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel wischen. Aber so weit ging Osborne dann doch nicht.
Die Moderatorin im Studio, eine attraktive Blondine mit einem wie aus Marmor gehauenen Kurzhaarschnitt, fragte: »Sagen Sie, Carl, hat Oxenford Medical zu diesem außergewöhnlichen Vorfall bereits Stellung genommen?«
»Ja«, antwortete Osborne und warf einen Blick in sein Notizbuch. »Die Firmenleitung teilte mit, dass sie über den Tod von Michael Ross sehr betroffen und traurig sei. So, wie es aussehe, sei aber niemand sonst mit dem Virus infiziert. Dennoch möchte man mit allen Personen sprechen, die in den vergangenen sechzehn Tagen zu Ross Kontakt hatten.«
»Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass Leute, die mit ihm Kontakt hatten, das Virus aufgeschnappt haben?«
»Richtig. Und möglicherweise haben sie bereits wieder andere Personen angesteckt. Für mich klingt die Stellungnahme der Firma wie frommes Wunschdenken und nicht nach einer wissenschaftlich qualifizierten Aussage.«
»Eine sehr beunruhigende Geschichte«, sagte die Moderatorin. »So weit der Bericht von Carl Osborne. Und nun zum Fußball.«
Wütend hackte Kit auf der Fernbedienung herum; er wollte den Apparat abstellen, erwischte in seiner Erregung aber lauter falsche Tasten. Schließlich riss er das Kabel aus der Steckdose. Am liebsten hätte er die Flimmerkiste aus dem Fenster geworfen. Die Katastrophe war perfekt!
Osbornes apokalyptische Vorhersage mochte falsch sein, vielleicht war die Gefahr eines Killervirus auf Abwegen gar nicht so groß. Eines war jedoch gewiss: Die Sicherheitsvorkehrungen im Kreml waren von nun an absolut und garantiert wasserdicht. Der heutige Abend war also der denkbar ungeeignetste Termin für den geplanten Diebstahl. Die ganze Aktion musste abgeblasen werden. Kit war ein Spieler, und mit einem guten Blatt auf der Hand riskierte er auch höchste Einsätze. Hatte man die Karten jedoch gegen sich, so hielt man sich besser zurück.
Zumindest bleibt mir ein Weihnachtsfest mit meinem Vater erspart, dachte er zynisch. Vielleicht können wir den Job ja erledigen, wenn sich die allgemeine Aufregung etwas gelegt hat und die Sicherheitsvorkehrungen wieder auf normales Niveau heruntergefahren worden sind. Vielleicht lässt sich der Kunde ja von der Notwendigkeit einer Terminverschiebung überzeugen … Kit schauderte unwillkürlich, weil er an seine gewaltigen Schulden denken musste, auf denen er nun bis auf weiteres sitzen bleiben würde. Aber es war sinnlos, an einem Plan festzuhalten, dessen Misserfolg vorhersehbar war.
Er ging wieder ins Schlafzimmer. Die Uhr zeigte 07 : 28 . Es war eigentlich noch zu früh, um zu telefonieren, doch die Sache war eilig. Kit nahm das schnurlose Gerät zur Hand und wählte.
Die Antwort kam sofort. »Ja?«, sagte eine Männerstimme.
»Hier ist Kit. Ist er da?«
»Was willst du?«
»Ich muss ihn sofort sprechen. Es ist wichtig.«
»Er schläft noch.«
»Mist.« Kit wollte
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