Eisfieber - Roman
Gespräch über die freie Mitarbeit, bei ihrer Einstellung und bei ihrer Beförderung hatte er ihr jedes Mal die Hand geschüttelt. Auf der Weihnachtsfeier hatte er ausschließlich mit seiner Sekretärin Dorothy getanzt, einer fülligen Matrone mit mütterlich effizientem Auftreten und Benehmen, die ein wenig an eine treu sorgende Entenmutter erinnerte. Toni hätte ihn gern zum Tanz aufgefordert, unterließ es dann aber, weil sie fürchtete, ihre Gefühle für ihn zu verraten. Später ärgerte sie sich über ihre Hasenfüßigkeit und wünschte sich, sie hätte etwas mehr Chuzpe gezeigt, so wie Susan Mackintosh.
»Gut möglich, dass Frank die Story nicht nur deshalb an Osborne verraten hat, weil er Sie ärgern wollte«, sagte Stanley. »Ich denke, er hätte es auf jeden Fall getan, denn Osborne wird sich sicher mit einem positiven Bericht über die Polizei von Inverburn im Allgemeinen und über Superintendent Frank Hackett im Besonderen revanchieren.«
Seine Hand wärmte ihre Haut unter der Seidenbluse. War es wirklich nur eine beiläufige Geste ohne jeden Hintergedanken? Die ihr nun schon sattsam bekannte Unsicherheit über das, was in seinem Kopf vorging, begann Toni zu nerven. Ob er meinen BH -Träger spürt, dachte sie und hoffte, dass er nicht spürte, wie sehr sie seine Berührung genoss.
Sie wusste nicht, ob seine Theorie über Frank und Carl Osborne stimmte. »Es ist sehr nett von Ihnen, dass Sie das so sehen«, sagte sie, beschloss aber gleichzeitig, dafür zu sorgen, dass Franks Verhalten der Firma nicht schadete.
Es klopfte an der Tür, und Cynthia Creighton, die Leiterin der PR -Abteilung von Oxenford Medical, betrat das Büro. Im selben Augenblick verschwand Stanleys Hand von Tonis Schulter. Cynthia, eine dünne Frau, die gerade ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert hatte, trug Strickstrümpfe und einen Tweedrock. Sie war ein aufrichtiger Gutmensch. Toni hatte Stanley einmal mit der Bemerkung zum Lachen gebracht, Cynthia gehöre zu jener Art von Menschen, die sich ihr Müsli selbst herstellten. Normalerweise eher zögerlich und zurückhaltend, befand sie sich jetzt am Rande der Hysterie. Ihr Haar war zerzaust, sie atmete schwer und redete zu schnell. »Diese Leute haben mich geschubst «, sagte sie. »Die benehmen sich ja wie Tiere! Wo bleibt die Polizei?«
»Ein Streifenwagen ist unterwegs«, sagte Toni. »Er wird in zehn oder fünfzehn Minuten hier sein.«
»Die sollen die ganze Bande da draußen festnehmen!«
Toni erkannte mit Schrecken, dass Cynthia nicht in der Lage war, mit der Krise fertig zu werden. Ihre Hauptaufgabe bestand in der Verwaltung eines kleinen Spendenbudgets für wohltätige Zwecke. Mal wurde eine Schülerfußballmannschaft, mal ein öffentlicher Wandertag gesponsert, und stets hatte sie dafür gesorgt, dass der Name der Firma Oxenford Medical in der Lokalzeitung Inverburn Courier gut vertreten war – und zwar in Verbindung mit Themen, die nichts mit Viren und Tierversuchen zu tun hatten. Toni wusste, dass diese Arbeit durchaus nicht unwichtig war, denn die Leser vertrauten ihrem Lokalblättchen, während sie überregionalen Zeitungen eher skeptisch gegenüberstanden. Cynthias fein dosierte Pressearbeit vor Ort immunisierte die Firma daher gegen bösartige Horrorgeschichten der Fleet-Street-Journaille, die jedes wissenschaftliche Projekt ruinieren konnten. Was Cynthia dagegen fehlte, war jedwede konkrete Erfahrung im Umgang mit dem Rudel von Schakalen, in das sich die britische Presse verwandelt, sobald sie Blut geleckt hat, und sie war viel zu durcheinander, um noch vernünftige Entscheidungen treffen zu können.
Stanley sah das offenbar genauso. »Ich möchte, dass Sie in dieser Angelegenheit mit Toni zusammenarbeiten, Cynthia«, sagte er. »Sie hat Medienerfahrung aus ihrer Zeit bei der Polizei.«
»Ach ja?« Sichtlich erleichtert und dankbar sah Cynthia Toni an.
»Ja, ich habe ein Jahr lang in der Presseabteilung gearbeitet. So was Schlimmes wie da unten habe ich allerdings dort nie erlebt.«
»Was, meinen Sie, sollen wir tun?«
»Also, ich meine …« Toni zögerte; sie hielt sich nicht für befähigt, jetzt einfach das Kommando zu übernehmen. Andererseits handelte es sich um einen Notfall, und so, wie es aussah, war sie die beste verfügbare Kandidatin. Sie beschränkte sich aufs Grundsätzliche: »Es gibt eine simple Verhaltensregel für den Umgang mit den Medien«, sagte sie, ohne zu erwähnen, dass in der gegenwärtigen Situation eine solche Vereinfachung
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