Eisfieber - Roman
finsterer Miene. »Mein Konto habe ich um eine Million Pfund überzogen. Nach unserem Vertrag mit dem Verteidigungsministerium sind die Laborkosten für vier Jahre gedeckt, doch wenn sie uns jetzt den Boden unter den Füßen wegziehen, stehe ich da mit meinen Schulden und kann sie nicht zurückzahlen – weder die der Firma noch meine eigenen.«
Toni konnte es kaum fassen. Wie war es möglich, dass so plötzlich, von einer Minute auf die andere, Stanleys gesamte Zukunft – und damit auch ihre eigene – auf dem Spiel stand? »Aber das neue Medikament ist doch Millionen wert«, wandte sie ein.
»Es wird so viel wert sein, ja. Eines Tages. Aus wissenschaftlicher Sicht habe ich daran nicht den geringsten Zweifel, und deshalb habe ich mir ja auch solche Summen geliehen. Aber ich hatte nicht geahnt, dass ein solches Projekt allein durch eine negative Darstellung in der Öffentlichkeit zerstört werden kann.«
Toni berührte seinen Arm. »Und all das nur, weil ein idiotischer Fernsehreporter seine Horrorstory braucht! Es ist unglaublich!«
Stanley tätschelte die Hand, die sie auf seinen Arm gelegt hatte, dann streifte er sie ab und erhob sich. »Jammern hilft uns jetzt nicht weiter. Wir müssen die Lage eben in den Griff bekommen.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Es ist Zeit, Sie wollten vor der Belegschaft sprechen. Sind Sie so weit?«
»Ja.« Gemeinsam verließen sie sein Büro. »Das ist eine gute Übung für die Pressekonferenz danach.«
Dorothy hob die Hand, als sie an ihrem Schreibtisch vorbeikamen. »Einen Augenblick, bitte«, sagte sie ins Telefon, drückte eine Taste und wandte sich an Stanley: »Der schottische Ministerpräsident.« Sie war sichtlich beeindruckt. »Persönlich! Er möchte mit Ihnen sprechen.«
Stanley wandte sich an Toni: »Gehen Sie in die Halle, und sorgen Sie dafür, dass die Leute nicht weglaufen. Ich komme nach, sobald ich kann.« Er drehte sich um und kehrte in sein Büro zurück.
09.30 Uhr
Kit Oxenford wartete über eine Stunde auf Harry McGarry.
McGarry, bekannt als Harry Mac, stammte aus Govan, einem Arbeitervorort von Glasgow, und war in einem Mietshaus am Ibrox Park aufgewachsen, ganz in der Nähe des Hauptquartiers der Glasgow Rangers, des protestantischen Fußballklubs der Stadt. Mit dem Geld, das er mit Drogengeschäften, illegalem Glücksspiel, Diebstahl und Zuhälterei verdient hatte, war es ihm gelungen, seinen Wohnsitz zu verlegen – geographisch zwar nur um anderthalb Kilometer, gesellschaftlich jedoch um einiges mehr. Er lebte jetzt jenseits der Paisley Road in Dumbreck in einem großen, neuen Haus mit Swimmingpool.
Das Gebäude war möbliert und dekoriert wie ein teures Hotel, mit Stilmöbeln und gerahmten Kunstdrucken an den Wänden, allerdings ohne jeden persönlichen Anstrich – keine Familienfotos, kein Nippes, keine Blumen, keine Haustiere. Kit saß in der großen Diele herum und wartete nervös. Unter den Augen eines dicken Leibwächters in einem billigen schwarzen Anzug starrte er die gestreifte gelbe Tapete und die spindeligen Beine der Beistelltischchen an.
Harry Macs Reich erstreckte sich über Schottland und den Norden Englands. Er arbeitete mit seiner Tochter Diana zusammen, die immer nur Daisy genannt wurde. Der Spitzname war blanker Hohn – »Daisy« war eine gewalttätige, sadistische Schlägertype.
Harry war der Besitzer des illegalen Casinos, in dem Kit spielte. Lizenzierte Casinos in Großbritannien litten unter einer Reihe von kleinkarierten Gesetzen, die ihre Profite minderten: Hausrabatte, Tischgebühren, Trinkgelder, Alkohol an den Spieltischen – alles war verboten. Außerdem musste man mindestens vierundzwanzig Stunden lang Mitglied sein, bevor man spielen durfte. Harry scherte sich nicht um diese gesetzlichen Auflagen, und Kit liebte die anrüchige Atmosphäre des illegalen Spiels.
Kit Oxenford war fest davon überzeugt, dass die meisten Spieler Dummköpfe waren und die Leute, die die Casinos betrieben, auch nicht viel gescheiter. Ein intelligenter Spieler musste eigentlich immer gewinnen. Beim Blackjack gab es eine Strategie, die für jede mögliche Hand anwendbar war. Das System hieß Basic , und er kannte es in- und auswendig. Seine Chancen verbesserte er dadurch, dass er sich die Karten, die verteilt wurden, merkte. Beginnend bei null zählte er für jede niedrige Karte – Zwei, Drei, Vier, Fünf oder Sechs – einen Punkt und zog einen Punkt ab, wenn er eine hohe Karte erhielt – Zehn, Bube, Dame,
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