Eisfieber - Roman
jenseits seiner Vorstellungskraft.
Miranda seufzte und stellte den Motor ab. »Tom, du kommst dann aber bitte auch mit«, sagte sie.
Das Haus ist schön eingerichtet, dachte sie, als sie in die Diele trat. Jennifer hat einen guten Blick … Die Hausherrin hatte, ganz im Stil einer stolzen Vorarbeitersgattin aus der Zeit vor etwa hundert Jahren, einfaches, rustikales Mobiliar mit bunten Stoffen kombiniert. Auf dem Kaminsims standen Weihnachtskarten, ein Baum fehlte jedoch.
Die Vorstellung, dass Ned in diesem Haus gelebt hatte, kam Miranda irgendwie seltsam vor. Jeden Abend nach der Arbeit war er hierher zurückgekehrt, so wie er jetzt zu ihr nach Hause in die Wohnung kam. Er hatte die Nachrichten im Rundfunk angehört, sich an den Abendbrottisch gesetzt, russische Romane gelesen, routinemäßig seine Zähne geputzt und war dann, ohne weiter nachzudenken, ins Bett gegangen, nur eben mit einer anderen Frau in seinen Armen.
Sophie lag im Wohnzimmer auf dem Sofa und sah fern. Sie hatte einen gepiercten Nabel mit einem billigen Halbedelstein darin. Zigarettenrauch stieg Miranda in die Nase.
»So, Sophie«, sagte Ned, »Miranda wird dir jetzt beim Packen helfen, okay, mein Püppchen?« Ein flehentlicher Unterton, der Miranda innerlich schaudern ließ, lag in seiner Stimme.
»Ich gucke mir gerade diesen Film an«, erwiderte Sophie mürrisch.
Miranda war klar, dass Sophie jetzt nur auf Befehle reagieren würde, nicht auf Bitten. Also griff sie entschlossen nach der Fernbedienung und stellte den Fernseher ab. »Zeig mir bitte dein Zimmer, Sophie«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Sophie verzog trotzig das Gesicht.
»Und zwar ein bisschen flott, wir haben nicht ewig Zeit.«
Widerwillig erhob sich das Mädchen und schlurfte aus dem Zimmer. Miranda folgte Sophie die Treppe hinauf in ein total unaufgeräumtes Jungmädchenzimmer, dessen Wände mit Postern von jungen Männern geschmückt waren, die alle durch verrückte Frisuren und lächerlich sackartige Jeans auffielen.
»Wir werden fünf Tage in Steepfall sein, also brauchst du zunächst mal zehn Schlüpfer.«
»So viele hab ich nicht.«
Miranda bezweifelte das, aber sie sagte nur: »Dann nehmen wir halt das, was da ist. Du kannst ja zwischendurch mal waschen.«
Sophie stand mitten im Zimmer, einen rebellischen Ausdruck in ihrem hübschen Gesicht.
»Na los«, sagte Miranda und sah Sophie scharf an. »Ich bin nicht dein Dienstmädchen. Her mit den Schlüpfern!«
Sophie konnte ihrem Blick nicht standhalten. Sie schlug die Augen nieder, drehte sich um und öffnete die oberste Schublade ihrer Kommode. Sie war randvoll mit Unterwäsche.
»Fünf BH s!«, kommandierte Miranda.
Langsam zog Sophie die gewünschten Wäschestücke heraus.
Der kritische Punkt ist überwunden, dachte Miranda und öffnete eine Schranktür. »Für abends brauchst du ein paar anständige Klamotten.« Sie nahm ein rotes Kleid mit Spaghettiträgern heraus, das für eine Vierzehnjährige viel zu sexy war. »Das ist aber hübsch«, log sie.
Sophie taute ein wenig auf. »Es ist neu.«
»Wir sollten es so einpacken, dass es nicht knittert. Habt ihr irgendwo Seidenpapier?«
»In der Küche, glaub ich.«
»Gut, ich hol’s. Und du kümmerst dich unterdessen um ein Paar saubere Jeans.«
Miranda ging hinunter. Sie hatte das Gefühl, Sophie gegenüber allmählich die richtige Balance zwischen Freundlichkeit und Autorität zu finden. Ned und Tom waren im Wohnzimmer und sahen fern. Miranda ging in die Küche und rief: »Sag mal, Ned, weißt du, wo das Seidenpapier ist?«
»Nein, tut mir Leid.«
»Dumme Frage«, murmelte Miranda und begann eine Schublade nach der anderen aufzuziehen.
Das Seidenpapier fand sich schließlich ganz hinten in einem Schränkchen mit Nähzeug. Miranda musste sich auf den Fliesenboden knien, um das Papier unter einer Schachtel mit Schleifen und Bändern hervorzukramen. Es war gar nicht so einfach. Miranda spürte, wie ihr das Blut zu Kopf stieg. Lächerlich, dachte sie, ich bin erst fünfunddreißig … Ich sollte mich mühelos bücken können. Da müssen unbedingt zehn Pfund runter. Keine Bratkartoffeln zur Weihnachtspute!
Als sie den Packen Seidenpapier endlich in Händen hielt, hörte sie die Hintertür klappern und kurz darauf die Schritte einer Frau. Sie blickte auf. Vor ihr stand Jennifer.
»Was, zum Teufel, treiben Sie denn hier?«, fragte Neds Ex. Jennifer war eine kleine Frau, die es aber hervorragend verstand, sich Respekt zu verschaffen,
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